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Willkommen am Schauspielhaus, lieber Uli!

Lieber Uli, beim Mitarbeiter*innenempfang zum Saisonstart vor ein paar Tagen hast Du über «Freude» gesprochen. Was bedeutet Freude für Dich persönlich?

Freude, die weder verlogen, noch oberflächlich ist, kann ein Akt des künstlerischen Widerstands gegen die Zumutungen der Wirklichkeit sein. Gegen unsere allzu schnelle Bereitschaft zu dystopischem und negativem Denken. Schlechte Laune hat die Welt noch nie gebessert.

Du warst Intendant an den grossen Theaterbühnen im deutschsprachigen Raum. Was reizt Dich an Zürich?

Das Schauspielhaus Zürich ist eine der bedeutendsten Bühnen im deutschsprachigen Raum. Ich mag an Zürich – und am Schauspielhaus – das zutiefst Widersprüchliche. Von dieser Stadt geht eine südliche Helligkeit aus, durchzogen von einer Grundtrauer und Melancholie, die diese Heiterkeit ganz im Sinne Gottfried Kellers auf irritierende Weise destabilisiert.

Weshalb setzt Du zur Saisoneröffnung mit «FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA» auf ein noch unbekanntes Stück?

Zum Schauspielhaus Zürich gehört ganz grundsätzlich das grosse Interesse an der Gegenwartsliteratur. Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt, Thomas Hürlimann und Lukas Bärfuss erlebten hier grossartige Uraufführungen ihrer Werke. Dea Loher ist neben Elfriede Jelinek aus meiner Sicht die grösste Autorin der Gegenwart. FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA entfaltet ein heiter-melancholisches Drama unserer Sehnsüchte und paradoxen Neigungen – ganz im Einklang mit dem, was ich zuvor über Zürich sagte. Dea Loher passt hierher.

Das Schauspielhaus hat mit «DIE VERWANDLUNG» von Franz Kafka einen Klassiker im Programm. Pflicht oder Kür?

Pflicht und Kür! Franz Kafkas Text ist, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen, «die Axt für das gefrorene Meer in uns».

Zürcher Theaterbesucher*innen können unter unzähligen Kulturangeboten wählen. Warum lohnt sich ein Abo des Schauspielhauses auch heute noch?

Theaterarbeit ist Beziehungsarbeit. Wir alle brauchen in den Städten Orte, wo wir immer wieder hingehen, wo unser Denken und Fühlen angeregt und herausgefordert wird. Unsere zwei Spielorte Pfauenbühne und Schiffbau wollen zu den Zuschauer*innen eine Beziehung aufbauen, das heisst, zu häufigen Begegnungen verlocken.

Wie möchtest Du die Gen Z dazu bewegen, ins Schauspielhaus zu kommen?

Die Generation Z lebt derzeit schärfste Gegensätze. Sie wird extrem gebraucht, das heisst sie kann sich aussuchen, wo sie sich engagieren will. Gleichzeitig begegnet sie einer Welt, die zerrissener kaum denkbar ist. Solche widersprüchlichen Erfahrungen will niemand alleine mit sich selbst ausmachen. Die Theaterkunst gibt keine Antworten, aber reizvolle Impulse.

Du hast erwähnt, dass Du Brücken zwischen der alten und neuen Intendanz schaffen möchtest. Also nichts mit «auf zu neuen Ufern»?

(lacht) Die Brücke führt ja zu neuen Ufern, ohne die alten zu diskreditieren oder abzuwerten. Und wenn wir Glück haben, ist die Brücke selbst ein wunderbarer temporärer Aufenthaltsort zum Durchlüften unserer Gehirne und Herzen.

Du setzt auf das bisherige Ensemble des Schauspielhauses. Wie wichtig ist Dir Bewährtes?

Ich mag das Abschätzige, das den Begriff des «Bewährten» oft begleitet, überhaupt nicht. Ich glaube vielmehr, dass Gelingen auf Gelungenem aufbaut. Am schönsten ist es, eine Kunst zu beherrschen, sie immer weiter und bis zur Perfektion zu verfeinern. Dafür ist das Schauspielhaus-Ensemble ein herausragendes Beispiel.

Theater ist Dein Leben. Worin besteht der Sinnhorizont Deines Tuns?

Wir können der Verletzlichkeit, Absurdität und Endlichkeit des Daseins die freie Entscheidung entgegensetzen, am Gelingen der menschlichen Gemeinschaft mitzuwirken. Die Theaterkunst entsteht in einem radikal sozialen Zusammenhang. Sie reflektiert Möglichkeiten des Gemeinsinns und sie tut dies mithilfe sich selbst überbietender künstlerischer Mittel, die Schmerz und Schönheit umfassen. Daran teilzuhaben, ist für mich ein Glück.

Abgesehen von den beiden Schauspielhaus-Bühnen, wo hältst Du sich sonst noch gerne in Zürich und Umgebung auf?


Ich mag das Café sphères in Zürich-West mit seinen schönen Büchern, das Literaturhaus, das Theater in der Winkelwiese, die alten und gepflegten Trams, das Kloster Mariastein bei Basel. Und es wird mich immer wieder zu den ZSC-Lions ins Stadion ziehen.

Und zum Schluss: Auf welche Inszenierung freust Du sich besonders?

Der Kreis schliesst sich: FRAU YAMAMOTO IST NOCH DA von Dea Loher in der Regie von Jette Steckel – und alle weiteren Uraufführungen.