Offener Brief
zu den angedachten massiven Kürzungen bei den Berliner Kultureinrichtungen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Wegner,
die Künste, die Berlin in der Welt ein Gesicht geben und die die innere Gemeinschaft und Sprachfähigkeit unserer Stadt stärken, diese Künste werden durch die radikalen und in keiner Weise kommunikativ vorbereiteten Sparmassnahmen in schwerster Weise beschädigt.
Die geplanten Einsparungen von 130 Millionen Euro werden zur Behebung der finanziellen Probleme Berlins keinen nennenswerten Beitrag leisten, beträgt der bisherige Kulturanteil am Gesamthaushalt Berlins doch nur 2,1 Prozent. Diese Sparvorhaben betreffen in erster Linie die künstlerische Produktion. Sie muss radikal reduziert werden, damit die Strukturen halbwegs erhalten bleiben. Das sind Personal- und Sachkosten, die über 80 Prozent der Haushalte der kulturellen Institutionen ausmachen. Die geplanten Kürzungen bedrohen mit besonderer Härte die vielgestaltige Freie Szene und dringend notwendige Einrichtungen zur Förderung von Diversität und Inklusion in der Kultur. Diversität braucht Förderung, nicht Einsparungen. Sie ist weder Luxus noch Nebensache, sondern ein essentielles Element einer gerechteren und sozialeren Gesellschaft.
Ihr wiederholter Versuch, Kultur und Soziales gegeneinander auszuspielen, ist nicht neu. Er bleibt aber auch in der Wiederholung fatal. Die Künste sind ein essenzieller Beitrag zum sozialen Leben der Stadt, genauso wie Schulen, Universitäten und das Gesundheitswesen. Sie stärken den Gemeinsinn, indem sie das Interesse der Gesellschaft an sich selbst erhalten und beleben.
Es gibt kein erkennbares Konzept und keinerlei kommunizierte Strategie von Ihnen, dem Senat und der Kulturbehörde.
Die Menschen, die in Berlin leben und die das wertvolle künstlerische Angebot als Teil ihrer Lebensqualität empfinden, werden das brutale Vorgehen ebenso wenig akzeptieren, wie all diejenigen, die sich mit ihrer Leidenschaft für die Künste in Berlin einbringen.
Wir fordern Sie auf und bitten Sie dringend und inständig: Nutzen Sie die noch bestehende Möglichkeit, Ihren Weg zu korrigieren! Gehen Sie mit all denjenigen, die die Kultur in Berlin tragen und prägen einen gemeinsamen Weg massvollen, gestuften und umsetzbaren Sparens und erhalten Sie die kulturelle Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit Berlins.
Ulrich Khuon (Intendant Deutsches Theater Berlin 2009-2023, Präsident des Deutschen Bühnenvereins 2017-2020, Intendant Schauspielhaus Zürich) und die Dramaturgie des Schauspielhauses Zürich.