Schiffbau/Halle
Premiere am 11. Januar 2013
Neben Ödipus und Medea ist sie die wohl bekannteste Dramenfigur der Antike: die verstossene Elektra, die am Grab ihres Vaters an nichts denkt als an Rache. Die Mutter Klytaimnestra soll den Gattenmord büssen, den sie gemeinsam mit ihrem Liebhaber Aigisth (dem nunmehrigen König) an Agamemnon verübte – gleich nach dessen siegreicher Heimkehr aus Troja. Nicht nur die drei grossen griechischen Tragiker Aischylos, Sophokles und Euripides nahmen sich des Stoffes an, bis in die heutige Zeit wirkt der Mythos. In Karin Henkels Inszenierung ist das in die Schiffbau-Halle eingebaute Atriden-Haus aus zweierlei Blickwinkeln zu erleben. Während die eine Hälfte der Zuschauer vorerst im Hausinneren Platz nimmt, wo sich die kleine Elektra von den Geistern der Vergangenheit umringt sieht, sitzt die andere Zuschauerhälfte vor dem Tor bei der ausgesperrten klagenden Elektra. Nach der Pause wird gewechselt.
„Die Saison 2012/2013 am Schauspielhaus Zürich hat ein blendendes, ein betörendes Highlight. Egal, was jetzt noch kommt: „Elektra“ nach den Tragödien von Hugo von Hofmannsthal, Aischylos, Sophokles und Euripides, in der Schiffbauhalle inszeniert von Karin Henkel, wird zu den Höhepunkten dieser Spielzeit zählen.“ Tages-Anzeiger
„Es ist eine sehr heutige, gespensterfreie Sicht auf Elektra, die Karin Henkel vorschlägt. Sie verwendet dazu eine Textfassung, die sich aus verschiedenen Quellen speist: den „Elektra“-Tragödien von Sophokles und Euripides, aber auch Hugo von Hofmannsthals Opernlibretto, Euripides' „Iphigenie in Aulis“ und Aischylos' „Agamemnon“. Das Erstaunliche: Es ergibt kein heilloser Mischmasch, sondern eine kluge neue Variante, auch im Sprachduktus einheitlich und zeitgenössisch. Elektra ist hier nicht das „Dämonenweib“ wie bei Richard Strauss, nicht die „Hasserin“ des Sophokles – sie ist eine Trauernde, erfüllt von nichts als ihrem Verlust, dieser einen, nichts fassen könnenden Liebe, erfüllt, wenn man es so sagen darf, von nichts als dieser Lücke, die sich in ihr auftut wie das Vatergrab direkt vor der Haustür. Wer in Elektras Haus will, muss über Agamemnon steigen. Muss man noch mehr sagen? Es ist verstörend gut, wie Carolin Conrad dies evoziert; und sie ist im Grunde immer auch das kleine Mädchen, das Karin Henkel ihr zur Seite stellt, die kleine Elektra, die den toten Vater interviewt (Paula Blaser, alternierend mit Anna-Lou Caprez-Gehrig). Vergangenheit und Gegenwart lassen sich nicht trennen. Wer auf der einen Seite hinausgeht, kommt auf der anderen wieder herein, und aus Agamemnon kann Orest werden (Michael Neuenschwander).“ NZZ
„Karin Henkel inszeniert im Zürcher Schiffbau „Elektra“: Der Mythos wird zum sinnlich satten Spiel um Mord, Trauer und Rache.“ Neue Luzerner Zeitung
„Das ist ein sinnlich sattes Theater, inmitten der Zuschauer, heftig und laut und packend.“ Aargauer Zeitung
„Karin Henkel kompiliert in Zürich eine beeindruckend neue „Elektra“.“ Süddeutsche Zeitung
„In Karin Henkels ineinanderfliessender „Elektra“-Collage ist keiner mehr bei sich selbst daheim. Alle frieren, und nichts ist stimmiger, als dass „Elektra, aussen“ in einer Riesenpfütze vor dem Haus stattfindet, rund um die Baugrube, in der Elektras Vater einst verscharrt wurde; rund um das schwarze Loch, das alles verschlingt. „Innen“ war die Vergangenheit möbliert mit stereotypen Bildern von den Untaten, mit Echos und durchgesessenen Sofas. „Aussen“ ist sie ungeschützt, eine offene Wunde, dauerblutend wie der Himmel. Klaustrophobisch ist es da wie dort, im Haus und davor. Die fleischgewordene Vergangenheit heisst Elektra. Bei Henkel vereint sich kluge Analyse mit dem Menschlichen – und ihr Theater auch. Conrads Verletzte spuckt Gift und Galle, verflucht Mutter, Schwester und Stiefvater und treibt ihren zögernden Bruder Orest (Michael Neuenschwander) tatsächlich zum Mord an der Mutter. Elektra gleisst in verblendetem Triumph, bevor die Erinnyen sie holen – und wir strahlen entflammt. Mutterliebe, Geschwisterliebe, Gattenliebe, alle Liebe schläft. Unsere aber, die des Zuschauers, ist entzündet.“ Tages-Anzeiger
„Diese Aufführung ist ein Ereignis.“ NZZ
„Die Lebendigen begegnen den Toten wie alten Geistern, die sie plagen. Von der anderen Seite der Hausfront hört man die Echos eines vergangenen oder auch zukünftigen Geschehens. Michael Neuenschwander geht als Agamemnon durch die Tür ins Grab und kommt als Orest zurück, und genau gleich kehrt Lena Lauzemis als Chrysothemis wieder, nachdem sie als ihre Schwester Iphigenie verblutet ist. Und Elektra, das Kind in seinem vom Blut des Vaters verschmierten Kleidchen – es trifft schliesslich Elektra, die Frau im noch sauberen Kleid. Klingt kompliziert? Ist völlig einleuchtend, wenn man es sieht. Und regelrecht erschütternd, wenn sich Paula Blaser (die in der Premiere die kleine Elektra spielte) und Carolin Conrad die Hand reichen. Ein Trauma von einem Bild.“ Nachtkritik.de
„Carolin Conrad gibt die erwachsene Elektra mit glühender Intensität, beseelt nur von einem Gedanken und doch in keinem Moment monströs. Bewegend ihr Dialog mit der angepassten Schwester Chrysothemis: Lena Lauzemis trifft deren mädchenhafte Sprödigkeit ausgezeichnet, was sich in heroisches Pathos wandelt, als die gleiche Schauspielerin auch den Part der Iphigenie gibt. Auch Michael Neuenschwander übernimmt die Rolle des Agamemnon und die seines Sohnes Orest: auch dies wiederum eine geschickte Verquickung von Schicksal und Figur, zumal der Schauspieler die Zerrissenheit beider Gestalten berührend verkörpert.“ Der Landbote
„Lena Schwarz spielt und schlängelt sich als Elektras Mutter und Frau von Agamemnon und dann Aigisth brillant durch die Zeiten und Spielorte und verleiht dieser Klytaimnestra mit überhöhenden Gesten wie von einer Stummfilm-Diva eine gruselige hysterische Note, zu der Alexander Maria Schmidts falscher und hartleibiger Aigisth die überzeugende Ergänzung und Entsprechung abgibt.“ Südkurier
„Die bisher tollste, klügste, schmerzvollste Soiree der Saison.“ Der Bund
„Wann war je eine „Elektra“ zu sehen, bei der jedes Wort so präzis nicht bloss zu hören, sondern tatsächlich zu verstehen war?“ NZZ