Pfauen
Premiere am 12. September 2013
Unterstützt von der René und Susanne Braginsky Stiftung
Tag für Tag bekommt Josef K. sein Frühstück an sein Bett gestellt. Eines Morgens wartet er jedoch vergeblich darauf. Als er der Sache auf den Grund gehen will, trifft er auf drei ihn bereits erwartende Herren, die ihm mitteilen, dass er verhaftet sei. Ein Prozess wird eröffnet, an dessen Ende der ahnungslose und seines Wissens unschuldige K. verurteilt und von zwei „Schergen“ erstochen wird. „Es war, als sollte die Scham ihn überleben.“
„Regisseurin Barbara Frey und Dramaturgin Christine Besier haben aus dem Romanfragment „Der Prozess“ ein Präzisionswerk intelligenter Unterhaltung herausgefiltert. Die vielen Stereotype wie Markus Scheumanns neurotisch gequälter Josef K. – in der Summe ergeben sie eine Komik, die bei der verbreiteten Kafka-Ehrfürchtelei oft verdrängt wird.“ NZZ am Sonntag
„In ihrer Inszenierung von Kafkas „Prozess“ erkundet Barbara Frey beängstigend und komisch ein betriebsblindes System der Mitschuld.“ Deutschlandfunk
„Barbara Frey führt ohne Umwege in die labyrinthische Welt des Josef K. hinein, aus der es keine Auswege gibt. So ist ihre „Prozess“-Fassung, die am Donnerstag die Spielzeit des Schauspielhauses Zürich eröffnet hat, eine Zumutung wie Kafka selbst. Und damit eine Empfehlung, auf diese Reise durch das Innere einer Nacht zu gehen. Denn da wird nicht gedeutelt, sondern sehr genau gezeigt, was dieser Text ist, nämlich selber ein Stich in das Herz. Vom Hinabgehen zu den dunklen Mächten hat Kafka geschrieben.“ Zürcher Oberländer
„Erdrückend monumental steigt eine Wand aus eisernen Banksafes in die Höhe (Bühne Bettina Meyer). Davor sitzt Markus Scheumann alias Prokurist Josef K. am Tisch im stummen Zwiegespräch mit seinem Laptop, unterbrochen bloss ab und zu durchs Handy: Der Bürolist im grauen Anzug (die zeitlosen Kostüme stammen von Bettina Munzer), eine Mischung aus Anthony Perkins (dem Hauptdarsteller in Orson Welles' Verfilmung) und Gaston Lagaffe (dem tollpatschigen französischen Comichelden), ist als Nullachtfünfzehn-Bankangestellter auch ein heutiger Jedermann. Wobei abgesehen von den elektronischen Gadgets auf jede Aktualisierung verzichtet wird zum Glück. Die mental-emotionale Ausstattung der Menschen hat sich in hundert Jahren nicht verändert, und um sie soll es gehen. Wenn nun zwei dunkel gekleidete Wächter (Christian Baumbach, Nils Kahnwald) eintreten und Josef K. erklären, er sei verhaftet, wenn Frau Grubach (Klaus Brömmelmeier), die Vermieterin, das Tablett mit dem Frühstück deponiert, woran sich der dicke Wächter gütlich tut, während der dünne raucht, dann wissen wir nicht, ob das in einer realen Welt passiert oder vielmehr in der Vorstellung des Protagonisten. Die Mehrfachbesetzung des gesamten Personals (mit Ausnahme von Scheumanns Josef K.) führt zu einem Déjà-vu-artigen Ineinanderverschwimmen der Individuen, vor denen es kein Entrinnen gibt. Es ist wie im Albtraum.“ NZZ
„Frey lässt Kafkas Romanfragment, in dem sich Anti-Held Josef K. in ein undurchsichtiges Rechtsverfahren verheddert, bei dem er die Gründe seiner Anklage nie erfährt, weitgehend unangetastet. Sie findet für Kafkas Sprache, die an der Oberfläche messerscharfe Logik suggeriert, in der Tiefe aber nur Konfusion und Verzerrung zeigt, die passende theatrale Umsetzung: Minenspiel und Tonfall entfernen sich vom Gesagten.“ Aargauer Zeitung
„Barbara Freys kluge Sprachregie verhindert jede Einfühlung. Sie ermöglicht Ein-Sicht. Die Aufführung lebt ganz von den fantastischen Menschendarstellern, in deren nuancenreich-ruhigen, heuchlerischen Verbiegungen und bedenkenlosen Windungen zutiefst vertraute menschliche Mitmacher, Mitschuldige kenntlich werden.“ Deutschlandfunk
„Die Rezeption von Kafkas Werk hat sich wenig um das Lustige und Witzige gekümmert; vielversprechender war es, das Ausweglose und Sinnlose, das Zwecklose und Unverständliche unter die Lupe zu nehmen. Mit dem Begriff „kafkaesk“ wird auch heute noch all das bezeichnet, was schleierhaft ist oder hinter einer Schweigemauer verborgen bleibt. Wenn es einen literarischen Negativpol zu dem Konzept des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas gibt, dann ist es Franz Kafka: Es wird weder gehandelt noch kommuniziert, und weil alles schon von vornherein feststeht, steckt alles fest. Das kann tragisch sein – aber eben auch komisch. Barbara Frey, Intendantin des Zürcher Schauspielhauses, nimmt sich in ihrer ersten Beschäftigung mit Franz Kafka dieses verdrängten Komischen an.“ Tages-Anzeiger
„Der Prozess“ ist ein rätselhaftes, mehrdeutiges Werk. Barbara Frey zeigt zum einen seine durchaus vorhandenen grotesken, sogar komischen Züge. Andererseits inszeniert sie das Geschehen wie eine Innenansicht der Psyche dieses Josef K., der das Gericht als Instanz zunehmend anerkennt und schuldig wird, weil er jede Möglichkeit der Rebellion verstreichen lässt.“ St. Galler Tagblatt
„Fast klaustrophobisch eng hat Bettina Meyer den Raum in Zürich gemacht: Kaum mehr als ein schmaler Laufsteg bleibt Josef K. zwischen aufgereihten Stühlen und der enormen Wand mit unterschiedlich grossen Schliessfächern in seinem Rücken, die zuweilen in verführerisch gleisnerischem Gold aufglänzt: ein begehbarer Tresor, ein Gehäuse, in dem sich von Mal zu Mal Szenen aus dem Roman verdichten: Der Kopf des Onkels, von unwirklichem Licht umhüllt, taucht einmal auf, Hände verschlingen sich von Fach zu Fach, die Gerichtsdiener, von K. angeblich angeschwärzt, stecken mit ihrem Prügler ausweglos in einer engen Kabine.“ Badische Zeitung
„Alle sind Teil des Systems. Auch Josef K. selber. Er funktioniert wie Du und ich, mit Laptop und Handy. Dann wird er aus heiterem Himmel verhaftet: ohne Anklage, ohne Schuldeinsicht, kriminalisiert von „seinesgleichen“. Alle Figuren sind genauso betriebsblind wie er. An wen er sich auch wendet, jeder hat bestenfalls Teileinsichten in das anonyme System. K.'s Verurteilung erscheint immer unausweichlicher. Und die Handlanger des für alle undurchschaubaren Systems sind gnadenlos mit ihrem erbarmungslosen Lächeln, ihrer unbedarften Selbstgerechtigkeit, der Jagd nach eigenen Vorteilen und ihren irreführenden Versprechungen. Und das ist ebenso beängstigend – wie komisch.“ Deutschlandfunk
„Assoziationen an ideologische Verirrungen und Politskandale unserer Tage sind durchaus berechtigt. Doch glücklicherweise hat die Inszenierung auf vordergründige Aktualisierungen verzichtet und es dem Publikum überlassen, sich seine Gedanken zur Kernaussage des Stückes zu machen. Im „Prozess“ sind Laptop und Handy die einzigen Utensilien, die aus der Zeit fallen. Ansonsten wirkt dieser Bankangestellte Josef K. so grau und unpersönlich wie viele seiner Berufskollegen es heute noch tun. Und es passt durchaus zu ihm, dass er sich gegen die Übergriffe auf seine Person nicht wehrt, sondern sich der gleichen Mittel zu bedienen versucht, die ihn vernichten werden – ein Mensch, der sich im Labyrinth der Gesetze die ihn umgeben selbst verliert. Am Ende wird Josef K „wie ein Hund“ hingerichtet. Man sieht es nicht, man hört es nur, und das ist einer der stärksten Momente der Inszenierung.“ Die Welt
„Station für Station nimmt die Geschichte ihren Lauf. Höflich und frech zugleich konfrontiert der Aufseher (ein soigniert-schmieriger Claudius Körber) das Opfer mit seinem Schicksal; und Josef K.s Einwand, er lebe doch in einem Rechtsstaat, wird schon entkräftet, als der sich als unschuldig verteidigende Verhaftete durch Vorweisen von Personalpapieren recht eigentlich auf die Argumentation seiner Schergen einschwenkt. Obwohl er ihrer Willkür Paroli bietet, macht er sich selbst zum Komplizen eines Systems, das er sukzessive akzeptiert. Den Widerstreit von Übertölpelung, Erstaunen, Empörung, von Aufbegehren gegen und dennoch Sich-Schicken in die Allgegenwärtigkeit des „Gerichts“ spiegelt Scheumanns verzweifelt komische Mimik wie ein offenes Buch; derweil sich sein schmaler Körper durch die Mühlen einer unfassbaren Justiz windet, in die er anpasserisch hineinkriecht, als ob er so darin verschwinden könnte.“ NZZ
„So ist es etwa ein Genuss, Klaus Brömmelmeier als Frau Grubach zuzuschauen. Den Höhepunkt des Abends markiert aber definitiv Siggi Schwientek als kranker Advokat; wie er, versunken in einem übergrossen Bett, seinen verquer-satirischen Monolog über die Juristerei gestaltet, ist eine Klasse für sich.“ Neue Luzerner Zeitung „Barbara Freys Mut, die Spielzeit ohne Grossspektakel nur mit einer ausgereiften, schlichten, aber äusserst konzentrierten Produktion zu beginnen, ist belohnt worden. Mit viel Beifall für einen glänzenden und vielversprechenden Start in die Spielzeit.“ Südkurier