Pfauen
Premiere am 16. Januar 2014
Unterstützt von der Hans Imholz Stiftung
1964 erscheint „Mein Name sei Gantenbein“, der letzte Roman von Max Frisch, als Sammlung von „Entwürfen zu einem Ich“, als ein Panorama des Möglichen mit dem Versuch, die eigene Position literarisch und künstlerisch einzukreisen und zu definieren. Ein Mann sitzt in seiner Wohnung. Allein. Seine Frau hat ihn verlassen. Er fragt sich: Wie ist es dazu gekommen? Er steigt aus seiner Geschichte aus und gibt sich eine neue. Nicht nur eine. „Er probiert Geschichten an wie Kleider“ – jede Erfahrung eine neue Identität, eine neue Rolle, neues Personal, neuer Schauplatz. Keine Geschichte von Anfang bis Ende, stattdessen ein Kaleidoskop von Erfahrungen, Erlebnissen, Entwürfen – ein Leben im Konjunktiv, wie gemacht für die Bühne: „Mein Name sei Gantenbein.“
„Mein Name sei Gantenbein“ ist bereits die fünfte Arbeit des tschechischen Regisseurs Dušan David Pařízek (zuletzt „Faust 1–3“ und „Wilhelm Tell“) am Schauspielhaus Zürich.
„Der ungemein moderne 300-Seiten-Roman „Mein Name sei Gantenbein“ erzählt keine lineare Geschichte, sondern umkreist eine Lebenssituation aus immer neuen Perspektiven, eine vertrackte Versuchsanordnung mit wechselnden Rollenzuschreibungen und einem multiplen Erzähler, der sagt: „Ich probiere Geschichten an wie Kleider.“ Eine verfängliche Shoppingtour in prekären Existenzweisen. Das Lesevergnügen, das der komplexe Roman bereitet, übersetzt sich im Zürcher Schauspielhaus erstaunlich bruchlos auf die Bühne. Das hat zwei Hauptgründe: ein formidables Ensemble und eine für Bühnenzwecke kongeniale Schnittfassung. Dušan David Pařízek (Regie und Bühne) und Roland Koberg fokussieren darin auf das Beziehungsvieleck zwischen Svoboda (Siggi Schwientek), Enderlin (Michael Neuenschwander), Gantenbein (Lukas Holzhausen) und der von ihnen umschwärmten Lila (Miriam Maertens) – und verzichten nachvollziehbarerweise auf viele epische Elemente wie etwa den ganzen Camilla-Komplex. Das verbleibende Spielmaterial schneiden sie ihren Figuren dialogisch so gekonnt auf die Münder, dass man kaum merkt, dass es nicht für die Bühne geschrieben wurde.“ NZZ
„Entschieden die grösste, nein, die eigentliche Leistung dieser Romanbearbeitung ist, dass der Regisseur uns aus dem Textozean die schönsten Perlen heraufholt: diese griffigen, total gemeinen Glanzstücke Max Frischs über die Zumutungen des Lebens. Ihretwegen will man den Roman jetzt unbedingt noch einmal lesen.“ Tages-Anzeiger
„Das ist kein Frisch für die Schule. Das ist ein Frisch, der Schule machen soll! Ob es dazu den Blick eines Nichtschweizers bedurfte? Oh ja. Die fünfte Zürcher Arbeit des tschechischen Regisseurs Dušan David Pařízek ist fraglos seine nachhaltigste. Und seine ernsthafteste überdies. Die Fassung nach Frischs letztem Roman über Liebe und Todesangst, die Pařízek mit Roland Koberg erstellt hat, schrammt derart empfindlich am Kern unserer Multioptionsgesellschaft, dass die Modernität des Autors verblüfft. Genauso baff macht die Chuzpe der Regie, die den Roman auf den Kopf stellt und ihn leichtfüssig verspielt durch einen Seiteneingang betritt. Wahrscheinlich ist aber doch die Schauspielerführung die grösste Qualität des Abends, der das Zeug hat zu einem ausgekochten Publikumsrenner.“ NZZ am Sonntag
„Dušan David Pařízek bewundert und zeigt ihn, den unvergleichlich unkorrumpierten Blick, den Max Frisch auf die Menschen hatte, und lässt ihn in vielen grandiosen Romansentenzen glänzen. Doch er blickt ebenso unkorrumpiert zurück und zeigt auch das Selbstmitleid und die Todesangst dieses Romans (und seines Autors), der froh nur im Zynismus ist.“ Nachtkritik.de
„In Zürich macht Dušan David Pařízek aus der Collage der Möglichkeiten und Erlebnismuster eine wunderbar runde Geschichte. Der moderne Intellektuelle ist nicht am Ende mit seinem Latein, aber er hat keine Chance gegen die Frau: Blind vor Eifersucht und Selbstmitleid, geblendet von seiner Rolle, taumelt er sehenden Auges dem Alter und dem Tod entgegen. Der tschechische Regisseur hat in Zürich schon Goethes „Faust“ mit Jelinek-Überschreibungen und Schillers „Tell“ mit leichter Hand inszeniert. Auch jetzt erstarrt er nicht aus Ehrfurcht vor dem Hausheiligen. Pařízek kürzt die 91 Geschichten des „Gantenbein“ auf zwei Dutzend Szenen zusammen. Hund Patsch muss draussen bleiben, alle Kalendergeschichten sind gestrichen und leider auch die blonde Maniküre Camilla. Was bleibt, ist eine klug angeschärfte Liebeskomödie im Intellektuellenmilieu: drei Männer, eine Frau, Buchstützen und Freischwinger-Stühle im Sechziger-Jahre-Design. Miriam Maertens ist Lila, „das Erzweib von einer Schauspielerin“, das die Männer fast so rasch wie ihre Kleider wechselt. Reales Vorbild der Figur: das schöne, unergründliche Rätseltier, die kettenrauchende Meerjungfrau Ingeborg Bachmann. Ihre Liebesschwüre sind barmherzige Lügen und Poesie, ihre Tränen falsch, aber eben das macht sie zur Projektionsfläche männlicher Sehnsüchte. Lukas Holzhausen gibt den Wahl-Blinden Gantenbein mit dunkler Brille und Denkerglatze als betrogenen Betrüger: ein kühler, scharfsinniger Dialektiker, der alles übersieht, was Taktgefühl und Selbstachtung widerspricht. Lilas Ex-Mann Svoboda ist bei Siggi Schwientek kein bäriger Böhme und riesenhafter Gemütsmensch, sondern ein kleiner Hänfling, der von Lila mit ehrlichem Bedauern in der Max-Frisch-Pfeife geraucht wird; wenn er in ihren Kleidern und Stöckelschuhen „Non, je ne regrette rien“ singt, ist es herzzerreissend. Enderlin, der angeblich todkranke Professor, ist bei Michael Neuenschwander ein smarter Klugscheisser, strotzend vor Gesundheit und Selbstgefälligkeit; selbst wenn er über Hermes doziert, hat der Schwerenöter die Damen im Parkett fest im Blick und geistig im Griff.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Dass es an der Premiere so viel Gelächter gab, will etwas heissen bei einem Roman, der ja als das „vertrackteste und faszinierendste Buch“ des grossen Schweizers gefeiert wurde (Volker Hage), aber keineswegs als das zugänglichste.“ Tages-Anzeiger
„Pařízek verrät Frischs „Gantenbein“ nicht an wohlfeile Effekte. Seine mit Roland Koberg aus Versatzstücken, zum Teil aus einzeln herausgelösten Sätzen des Textes, klug und schlüssig komponierte Inszenierung hält mit Bravour die fragile Balance zwischen Frisch-Erneuerung und -Verehrung.“ Badische Zeitung
„Die Vorlage überzeugt, das Schauspieler-Quartett ebenso.“ Neue Luzerner Zeitung
„Pařízeks Frisch ist Seelenstriptease bis auf die nackte Haut und ein weiterer Beweis: Klassiker sind bei diesem Regisseur in guten Händen.“ Aargauer Zeitung
„Der Abend findet eine überzeugende Balance zwischen Ernst und Komik. Man lacht sich krumm, wenn Enderlin das Macho-Training für Gantenbein antreibt und die wilden Soufflierversuche zum gut getimten verbalen Slapstick werden. Und als Siggi Schwientek – in Lilas Frauenkleid und Stöckelschuhen – zum Piaf-Song „Je ne regrette rien“ anhebt, möchte man heulen, weil jeder Ton und jedes Wort gleich zu zerbrechen droht. Kein Hauch von Parodie. Reine Zartheit einer verletzlichen Seele, die sich nur so ausdrücken kann. Der Theaterabend stellt erst gegen Schluss klar, was im Roman die Geschichtenfolge initiiert, dass Gantenbein seine Blindheit eben simuliert. Schwer zu entscheiden, ob das den Genuss an diesem Doppelspiel für den Zuschauer mindert oder nicht. So oder so, der Max-Frisch-Text ist eine famose Einladung zum Spiel, das Theater hat sie grandios aufgenommen, das Publikum darf sie vergnügt-besinnlich weiterspielen.“ NZZ
„Dušan David Pařízek inszeniert mit grossartigen Darstellern Max Frischs Roman „Mein Name sei Gantenbein“ am Zürcher Schauspielhaus.“ St. Galler Tagblatt