Schiffbau/Atrium
Premiere am 22. Mai 2014
Unterstützt von der Stiftung für Bevölkerung, Migration und Umwelt, der Adolf und Mary Mil-Stiftung, Ambassade de France en Suisse, dem Tschechischen Zentrum Wien und Zebrabox
Sechs europäische Regisseure. Sechs in der Schweiz verwurzelte Autoren. Sechs Streifzüge durch die Stadt- und Migrationsgeschichte. „Transit Zürich“ lädt junge europäische Regisseure aus allen Himmelsrichtungen nach Zürich ein. Aus den Niederlanden, Deutschland, Tschechien, Griechenland, Spanien, Frankreich. Im Gepäck haben die Regietalente unterschiedliche Theatertraditionen, eigene Handschriften und diverse Arbeitsweisen. Tätig sind sie in ganz Europa, sie sind selbst Experten für ein Leben und Arbeiten im Transit. Sie alle arbeiten zum ersten Mal in Zürich und treffen hier auf sechs Autoren, mit denen sie gemeinsam den Blick auf diese Stadt richten.
Sechs neue Texte über Zürich, so unterschiedlich wie die Menschen, die es durchquer(t)en. Durch diese Stadt streichen die rastlosen Geister gescheiterter russischer Revolutionäre, nicht beerdigte Hexen und privilegierte Migrantinnen genauso wie ein sich abschottender Igel, traurige Mimen, das Gespenst von Mitschuld und eine zweite Generation auf der Suche nach ihren Wurzeln. 1782 – 1905 – 1938 – 1970 – 2007 – 2014. Zürich war, ist und bleibt Transit. „… hier ist man immer kurz vor dem Weggehen, kurz vor dem Ankommen, hier wartet man, die Körper hier, der Kopf woanders …“ – was sich ändert sind die Zeiten, die Moden und der Status, der dem Fremden gegeben wird. Jede Geschichte erfindet ihre Wahrheit, ihre eigene Historie – und, die, die Macht haben, können auch etwas lauter erzählen. Die, die sich als Mehrheit verstehen, können das auch. Da kann das Heidi schon mal verrückt werden: „Ich kündige / sucht euch ein neues Heidi / sucht euch eine Neue, die gerade steht für das, was ihr nie wart.“
Transit, das umfasst historische und aktuelle Migrationsbewegungen, aber auch eine Dimension des zeitgenössischen Daseins, das sich zwischen immer neuen Orten und Lebensentwürfen bewegt. Die Notwendigkeit des Ankommens tritt hinter die Bewegung und den Momenten der Begegnung zurück. Ob schnöde Realität, tragische Entwurzelung oder romantische utopische Vision: Es geht um Geschichten von Leben, von Biographien im Transit, und wie sie diese Stadt kreuz(t)en, um Migrationsgeschichten, um Alltags- und Raumerfahrungen, in denen die Dichotomien von eigen/fremd längst brüchig, wenn nicht aufgelöst sind.
„Katja Brunners neuer Text mit dem Titelungetüm „Man bleibt, wo man hingehört, und wer nicht bleiben kann, gehört halt nirgends hin - oder: Eine arglose Beisetzung“ ist weder schematisch noch mittelmässig. Sondern wild und wütend wie sein Titel, eine Anklage, eine Hinter-Frage. Ihr Heidi wurde missbraucht vom Alpöhi, gefickt von der Tourismusindustrie, ausgebeutet wie eine Sexworkerin, hingerichtet wie Anna Göldi: Actrice Anja Herden, Frau, Schwarze, ist die Gegenspielerin von Nils Kahnwald und Sebastian Kreyer; der 35-jährige Deutsche zeichnet auch für die Regie. Die Autorin schämt sich nicht für den Aufschrei „Schämt euch!“. Sie schäumt sich durchs Alphabet von „A wie kein Adolf Hitler“ bis „Z wie Zwang/Zwingli“. Komikgekringel, Wortgewucher, Schmerzgeschwür: In Brunners Text wächst, was starkes Theater sein kann.“ Tages-Anzeiger
„Wenig ehrfürchtig zeigt sich der Franzose Nicolas Charaux bei seiner Inszenierung von Ivna Žic' „Die Menschen passen nicht in die Landschaft“. Was die Autorin als Sprachkonzert angelegt hat, die Rede einer jungen Frau, verteilt auf einen Chor von Stimmen, orchestriert er effektvoll und kurzweilig mit zwei Frauen- und einer Männerstimme (Anna Blumer, Magdalena Neuhaus und Dimitri Stapfer). Bald gibt er dem Text nachdenklichen Nachhall, bald überdreht er ihn als karikierendes Kasperlitheater, immer bleibt er prägnant. Das Sprachspiel passt gut zu der Erzählung einer kroatischen Seconda, die sich zwischen zwei Sprachen und Heimaten nirgends zugehörig fühlt und die sprachliche Entfremdung zur Metapher für verlorene Unmittelbarkeit nimmt.“ NZZ
„„Precious“ zeigt drei Gestrandete (die junge Journalistin Nico, ihr Onkel Markus und die junge Tschechin Alenka) in einer Zürcher Wohnung. Sie alle träumten von einem besseren Leben, schwärmten von Idealen und sind arg enttäuscht worden. In Monologen werden die Schicksale der drei ausgebreitet: Nico verfolgte als Journalistin die Unruhen in Kairo und kehrt desillusioniert zurück, Onkel Markus trauert – wenn auch widerwillig – den Idealen der Zürcher Jugendunruhen nach und Alenka sieht sich tanzend in Zürich wie Alice im Wunderland im Niemandsland, weiss nicht wo sie hingehört. Regisseurin Kamila Polivkova zeigt eine leise, stimmige Inszenierung der drei Gestrandeten, die ohne Klage ihr Scheitern demonstrieren.“ seniorweb.ch
„Den komödiantischen Abschluss macht Lukas Linders „Toter Mann (Gapon)“: die skurrile Trouvaille eines russischen Revolutionärs, Georgi Apollonowitsch Gapon, der eine bemerkenswerte Karriere vom orthodoxen Geistlichen (als jüdischer Konvertit wohlgemerkt) zum kommunistischen Arbeiterführer machte und gleichzeitig als Agent für die Geheimpolizei des Zaren wirkte. Bei Linder bleibt er als Untoter in Zürich hängen, bringt Lenin Birnbrot und entwickelt eine Lindenblütentee-Aversion – in einer hochkomischen Suada, die allerdings im historischen Anspruch nicht mehr sucht als die verstiegene Anekdote. Dies aber brillant. Der katalanische Regisseur Jordi Faura gibt dem Affen Zucker und hat das Glück, mit Fritz Fenne einen fabelhaften Komödianten an der Hand zu haben: Geschickt meistern sie das Wechselspiel von Empathie und Groteske, Entstellung und Kenntlichkeit.“ NZZ
„Man darf auf die weiteren drei Werkstattinszenierungen, die am 27. Mai Premiere feiern, gespannt sein. Der erste Abend jedenfalls hat einen spannenden und unterhaltsamen Einblick in die Sichtweise junger Autoren und Regisseure in und über unsere Stadt Zürich geliefert.“ seniorweb.ch