Premiere am 07. April 2017
Eingeladen zum 5. Schweizer Theatertreffen 2018
„Wo lebt die Poesie wirklicher als da, wo sie die Seele trifft …“ Wilhelm Grimm
„Es war einmal, vor tausend und mehr Jahren, in einem alten Schloss mitten in einem grossen, tiefen Wald…“ – So beginnen sie, die fantastischen Geschichten der Brüder Grimm. Und alles deutet darauf hin, dass das, was nun folgen wird, nicht aus dem Hier und Jetzt kommt und nicht von dort, wo wir uns auskennen. Doch alles, was uns aus den Märchen entgegenkommt, kennen wir seit Kindertagen und trotzdem ist uns vieles davon verschlossen. Diese Geschichten öffnen Tür und Riegel: Die von den Brüdern Grimm eifrig gesammelten und kanonisierten Märchen führen uns in eine Welt der Fantasie, der Träume und des Wunderbaren, des Grausamen und Bösen, des Geheimnisvollen und Schönen. Fabelwesen, Zwerge, Geister, Hexen, sprechende Tiere, verkappte Prinzen und versteckte Prinzessinnen, böse Stiefmütter und feige Väter versammeln sich hier zu einer Fülle von Geschichten, die einen Zugang zu verborgenen Schichten und Abgründen des Menschlichen freilegen.
Die Räume der Magie, des Zaubers, des Fantastischen, die im Märchen präsent sind, sind Rückzugsraum und Gegenwelt zur Realität. Im Kampf des Guten gegen das Böse lassen sie die Fiktion einer geordneten Welt für einen Augenblick wahr werden. Ihre Warnung betrifft dann die Tatsache, dass es auch ganz anders sein könnte als es ist. Die „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm gelten neben der Lutherbibel als das bekannteste und meistübersetzte Buch deutscher Sprache. Es ist schon lange Kultur- und immer wieder Zeitgeschichte. Ein Klassiker der Welt- und Gegenwartsliteratur.
Der Regisseur Herbert Fritsch, der zuletzt „Wer hat Angst vor Hugo Wolf?“ im Pfauen inszeniert hat, wird sich erstmals auf eine theatrale Entdeckungsreise in die Märchenwelt der Brüder Grimm begeben.
„Fritschs „Grimmige Märchen“ sind eine kunstvoll komponierte Revue aus grosser Oper, Zirkus und Freakshow. Manchmal klingt es wie dadaistischer Nonsens, manchmal wie Beckett. Der dumme Junge etwa nimmt in der Hüpfburg das Scheitern auf die leichte Schulter und immer neue Anläufe zum Glück: „Tut nichts. Besser machen.““ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Fritschs neuster Streich ist ein Märchen für Erwachsene und für Eugen-Drewermann-Leser, die behaupten, dass mit dessen psychoanalytischer Märchendeutung alles gesagt sei. Zu sagen gibt es womöglich tatsächlich wenig Neues; doch Märchen wie hier szenisch in phantastische Abgründe weiterzutreiben, ist in Zeiten realpolitischen Irrsinns Gesellschaftskritik.
Denn dort, wo das Sofakissen am tiefsten ist, mittig in der Sitzkuhle, hat der Hai seine Zähne, steckt das obligate Fritsch-Trampolin. Hier katapultiert der Regisseur und Bühnenbildner die Abmachung darüber, was Märchen sind, ins Absurde. Märchen sind nicht märchenhaft, also gut; hier sind sie die Literaturform des Urmenschlichen, des Urbösen. Und was ein rechter Märchenton sein soll, sei auch kein pfäffisch Säuseln. In Zürich ist die fritschisierte Vokabel existenzielles Heulen und Zähneklappern: phänomenal!“ NZZ
„Herbert Fritsch inszeniert „Grimmige Märchen“ im Zürcher Schauspielhaus: Irrwitzig, brutal, furchterregend und grauenhaft komisch“ Aargauer Zeitung
„Die Märchen werden spielerisch nebeneinandergestellt, ineinandergeschnitten, der Schmerz ausgestellt – aber niemals herausgeschrien. Denn Fritsch ist Entertainer auf dem Hochseil, kein Psychoanalytiker in den Untiefen der Seele.
Das ist im Grossen und Ganzen auch gut so. Und gerade, als das Unvermeidliche geschieht und man anfängt, aus der Bezauberung hinauszugleiten und hinein in einen Überdruss, bricht Markus Scheumann die ausgebuffte Märchen-Collage mit einer hinreissend selbstironischen, höchst gegenwärtigen Comedy-Impro, für die allein schon der Besuch der „Grimmigen Märchen“ sich gelohnt hat.“ Tages-Anzeiger
„Herbert Fritsch spaziert durch das Gebiet der Brüder Grimm, und ab und zu fallen König Drosselbart, Rotkäppchen und Co. in den Abgrund hinein. „Grimmige Märchen“ ist ein sehr fantastischer Abend am Zürcher Schauspielhaus.“ Der Landbote
„Ein grandioses Schauspiel-Spektakel“ seniorweb.ch
„Herbert Fritschs „Grimmige Märchen“ bieten einen untrennbaren Mix aus Ernst und Nonsens, hochkarätigster Schauspielkunst und niederschwelligstem Jux.“ Basellandschaftliche Zeitung
„Nein, kein goldenes Haar passt zwischen den Albtraum und das Alberne an diesem Abend, an dem uns Herbert Fritsch zwei der lustigsten und manche der verstörendsten Szenen zeigt, die man je von ihm gesehen hat. Es ist ein fabelhafter Abend, und das nicht nur, weil am Ende tatsächlich die Fabeltierchen unterm Kissen hervorkriechen und die letzten Sätze all der Märchengeschichten von der Rampe ins Publikum sprechen. Die Sätze vom Glück, in dem fortan und bis zum Tod alle leben. Dann geht das Licht aus. Es ist wieder dunkel unterm Stein, und die Kinder klatschen in die Hände.“ Nachtkritik.de
„Es ist also ein grosser anarchistischer Spass, den Fritsch sich da macht, allerdings einer mit ernstem Hintergrund: Es geht immer um das christliche Europa und die Sozialisation, die unsereins da mitgekriegt hat, also um Zucker und Peitsche, um Loben und Verstossen, um Heulen und Beten und Zähneklappern. Ja, es war einmal. Aber immer wollen die Figuren weg von den strengen Regeln, die Körper zucken und verselbstständigen sich, und bisweilen erfinden sie sich sogar eine Kunst- und Privatsprache.
Es ist dies eine fast perfekte Inszenierung; es gibt ein paar Hänger, der Schluss ist ein bisschen mau; aber vorher darf da einer etwa zehn Minuten auf offener Bühne mit dem Handy telefonieren, ohne mehr als drei Worte zu sagen. Phantastisch – wobei das Handy eigentlich ein Schuh ist. Man fragt sich bisweilen, ob man mitten in der Psychiatrie gelandet ist, dann aber ist es doch die Hölle der Christen oder einfach der Wahnsinn eines Theaters, das wieder an sich selber glaubt. Hänsel und Gretel verirren sich im Wald, aber Herbert Fritsch weiss genau, wo es langgeht. Im Zweifelsfall immer in die Zimmer, die die Mutter verboten hat. Dort lauern die Albträume, aber auch die Tröstungen des völlig sinnfreien Schwachsinns. Wer Zeit hat: Zürich ruft! Die Aufführung ist einer dieser raren Momente reinen Theaterglücks, und man muss ihn geniessen, belobigen und preisen, bevor die Aufführung Routine bekommt und auf allen Theatertreffen dieser Welt herumgereicht wird.“ Deutschlandfunk
„Fritsch zeigt nicht ein Märchen, sondern etwa 60. Darunter blitzen die bekannten nur in Andeutungen vor, während die unbekannten in den Schnelldurchlauf und den Fleischwolf geschickt und miteinander verwurstet werden. Irrwitzig und körperbetont hat Fritsch das inszeniert; sein Ensemble spielt enthusiastisch, als wäre es auf Speed. Florian Anderer, einziger Gast im Ensemble und in Fritsch-Werken im Dauereinsatz, wirkt zuweilen, als hätte er seine Knochen gegen Gummi eingetauscht und seine Mimik bei Harpo Marx geliehen.
Schlicht grossartig auch Markus Scheumann. Ihm gebührt die Ehre, den Abend mit einem Ruck wiederzubeleben, als der zwischendurch in der Wiederholungsschleife hängt und im märchen- und grauenhaften Einerlei zu ersticken droht. Als Schneewittchen-Verschnitt verwandelt Schneewittchen seinen Schuh – „Ruckediguck, das ist ein Schugg“ – in ein Smartphone und lässt sich in einer famosen Improvisation minutenlang in ein Telefongespräch verwickeln. Da ist Fritsch voll in seinem Element, für das ihn Fans lieben und vergöttern: Im untrennbaren Mix aus Ernst und Nonsens, hochkarätigster Schauspielkunst und niederschwelligstem Jux. Und mit Einfällen zum Niederknien schön.“ St. Galler Tagblatt
„So hat Fritsch zum Beispiel im Märchen „Marienkind“ geblättert, wo die Holzhacker-Tochter erst auf dem brennenden Scheiterhaufen ihr Vergehen gesteht, einen verbotenen Schlüssel benutzt zu haben. Er hat sich interessiert für die bitterarme Fünffach-Mutter in „Gottes Speise“, die mit der Steinhärte ihrer kinderlosen reichen Schwester zusammenprallt, oder für das eigensinnig-vorwitzige Mädchen in „Frau Trude“. „Der gescheite Hans“ wird überführt in eine hart-akrobatische und fulminant dargebotene Slapstick-Nummer unter prominentem Einsatz des Trampolins. Zwischen die nach langem Schlaf getane Selbstbefragung „Bin ich's oder bin ich's nicht?“ des Catherlieschens in „Der Frieder und das Catherlieschen“ und der Antwort „Ich bin's nicht!“ ist eine mehrminutenlange, pantomimisch aufgeladene komische Bedenkzeit eingebaut.
Hierzu passen die oft zum Publikum gewandten „grimmig“-erstaunten Gesichter der vom Tutti bis zum Solo hochmotiviert, bravourös und detailpräzise aufspielenden Florian Anderer, Henrike Johanna Jörissen, Claudius Körber, Elisa Plüss, Anne Ratte-Polle, Nicolas Rosat, Markus Scheumann und Friederike Wagner, die in wechselnde Lichter von Blutrot bis Giftgrün getaucht werden.“ Südkurier
„Die exzellenten Schauspielerinnen und Schauspieler erzählen im übersteigerten Märchenton – also in jenem Singsang, der das Unheimliche noch unheimlicher machen will, der in diesem Fall aber tatsächlich zu einem Singsang des Grauens wird. Man hat im Kinder-, Schüler-, Jugend- und Stadttheater manch einen Märchen-Mash-up gesehen, in dem sich die erwähnten Märchenfiguren in mehr oder weniger lustigen Szenen über die Grenzen ihrer angestammten Geschichten hinweg begegnen. An diesem Abend aber erzählt uns dieses berühmte eine Prozent der Märchenwelt für einmal, was bei den Gebrüdern Grimm und ihren Vorläufern halt auch noch steht. Wir erleben einen burlesken Ringelreihen der Gewalt.“ Nachtkritik.de
„Die acht Darsteller (Florian Anderer, Henrike Johanna Jörissen, Claudius Körber, Elisa Plüss, Anne Ratte-Polle, Nicolas Rosat, Markus Scheumann, Friederike Wagner) liefern ein grossartiges Spiel. Mit wohlgesetzter Danebenheit stolpern und rutschen sie auf dem Monsterkissen herum, deklarieren einzeln und chorisch mitreissend ihre Märchen, mal grinsend, lustvoll, berauscht, mal ängstlich und zweifelnd, vollführen in ihren barocken Kostümen wahre Slapstick-Kunststücke. Dafür gabs am Premierenabend immer wieder Szenenapplaus.
Haften bleibt der Auftritt von Markus Scheumann als Drosselbärtiger, der zum Schluss mit seinem Schuh eine peinlich-komische Telefonnummer präsentiert und der zu erwartenden Medienkritik mit einer eigenen, floskelreichen Rezension, abgelesen von der Schuhsohle, vorgreift. Und wie immer dauert der Abschied bei Fritsch mit inszenierten Auftritten der Schauspieler und des Regisseurs. Geboten wird insgesamt ein fabelhafter Märchenabend mit einem furios aufspielenden Ensemble. Das Premierenpublikum bedankte sich mit frenetischem Applaus.“ seniorweb.ch
„So beschiesst Fritsch Grimms Märchen mit seiner Gute-Laune-Strahlenkanone, dass einem angst und bange werden kann. Aber auch der süsseste Brei wird nicht so heiss gegessen, wie er gekocht wird. Am Ende nimmt König Drosselbart ruckediguck Aschenputtels „Schuck“ und verfremdet ihn zum Smartphone. Markus Scheumann macht daraus ein einsilbiges, hinreissend komisches Ferngespräch inklusive improvisierter Theaterkritik, eingeklemmtem Fuss und Selbstentfesselung: eine Wahnsinnsnummer ohne Anschluss an die Wirklichkeit. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann spielen sie noch heute.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Es ist auch wahnsinnig lustig. Da macht Markus Scheumann eine Soloperformance, er ist der König mit dem roten Bart. Irgendwie verhaspelt er sich in seinem Spiel, irgendwas ist ihm in den Mund geraten, wohl der Bart, und auf einmal hat sein Schuh, der aus dem „Aschenputtel“ kommt, Empfang. Denn telefoniert Markus Scheumann so vor sich hin und bittet das Publikum auch, bitte jetzt nicht zu stören. Ausserdem scrollt er später noch ein bisschen auf seinem Handy-Schuh herum und liest uns gleich die vorgezogene Kritik von „Grimmige Märchen“ vor. Es ist das Übliche: Herbert Fritsch sei eben ein Oberflächenregisseur, der alles, dessen er sich annehme, platt mache, die Schauspieler und Schauspielerinnen seien aber toll.
Das sind sie auch: grosser Applaus für die Schauspielerinnen und die Schauspieler. Und auch ein Ende gut für Herbert Fritsch, der mit einem Fischkopf zum Schluss auf die Bühne kam. Auch grimmige Fische haben ihren König.“ Zürichsee-Zeitung
„Herbert Fritsch hat für seine „grimmigen Märchen“ auch die Bühne gebaut. Vor allem aber hat er den grossartigen, artistischen Züricher Schauspielern ganz viele Bewegungssegmente mit auf die Reise gegeben, pantomimische Erkennungsmelodien, bei denen man auch nach einer vollen Stunde noch staunt. Das wuselt und zappelt vor sich hin, und auch akustisch sind das heidnisch verfremdete Chor- und Wechselgesänge – und Verzweiflungsschreie. Allein der Eingangschoral ist so bizarr, dass man als Zuschauer zwischen Schrecken und Amüsement überrascht erstarrt.
Es ist lange her, dass man so einen geschlossenen Kosmos der Verrücktheit gesehen hat. Das changiert zwischen Kafka und Beckett, zwischen Jarry und Grand Guignol, und die running gags sind bei Charly Chaplin ausgeliehen. Das Sprechen ist immer exaltiert, wie bei überkandidelten Opernsängern, die sich vom falschen Pathos Bedeutung erhoffen und ihre Rezitative gnadenlos outrieren; und nach der Hysterie kommt immer die Stille. Und immer geht es darum, dass kein Geld und kein Essen da ist, dass jemand etwas Böses oder Verbotenes getan hat und bestraft werden muss, dass Kinder von den Eltern verkauft, verspeist oder gezüchtigt werden und geradewegs in der Hölle oder wenigstens im Fegefeuer landen, von wo die Schreie der Verdammten erschallen, bei Herbert Fritsch allerdings meist von einem Trampolin aus, wo die armen Seelen hüpfen müssen.“ Deutschlandfunk
„Die Kostümbildnerin Victoria Behr hat Florian Anderer, Henrike Jörissen, Claudius Körber, Elisa Plüss, Anne Ratte-Polle, Nicolas Rosat, Markus Scheumann und Friederike Wagner für alle diese schrecklich-scheckigen Lustbarkeiten in ein Schauer-Outfit gesteckt und sie so ausstaffiert, dass man sie kaum erkennt. Die Augen sind rot gerändert, auf der Iris sitzen gruselig weisse Kontaktlinsen. Die hochtoupierten Perücken in Gelb, Lila, Orange und Grau wirken wie grotesk überzeichnete Vampirfilmzitate.“ Tages-Anzeiger
„Fritschs Inszenierungen sind immer auch ein Fest für die Kostümbildnerin. Victoria Behr lässt folglich keine knallfarbene Extravaganz aus, Drosselbart hier, Schneewittchenkrone dort, Rapunzelzopf drüben. Eingangs taxieren die acht Bleichfratzen das Publikum wie ungebetene Gäste und skandieren kakofon ein Kinderlied: „Hänsel und Gretel verirrten sich im Wald ...““ Basler Zeitung
„Fabelhaft ist Bilderstürmer Fritsch hier, schon wieder. Aber diese Arbeit ist noch beissender als sein Nullpunkt-Theater „Murmel Murmel“, noch drängender als der Zürcher „Schwarze Hecht“ und tiefgreifender in seiner gesellschaftlichen Aussage als „Die Physiker“. Hier wird die schwarze Bürgerseele mit einer schwarzen Messe gefeiert. Hier wird die Unmoral derart lustvoll zelebriert, dass selbst „Propagandamärchen“ (Eugen Drewermann) der katholischen Kirche wie das „Marienkind“ eine befreiende Wirkung erhalten. Das Böse, das durch die Wucht der Darsteller Glaubwürdigkeit und Würdigkeit erhält, wirkt immunisierend: Schwesterlein werden gekocht und Brüderlein aufgegessen. Liebe geht durch den Magen!“ NZZ