Premiere am 17. Februar 2018
Unterstützt von Swiss Re
Ein morbides Hotel mit dem Namen „Zur schönen Aussicht“ am Rande eines mitteleuropäischen Dorfs: „Eine mächtige alte Karte Europas hängt an der Wand. In der Ecke eine vergilbte Palme. Alles verstaubt und verwahrlost. Im Zimmer über der Halle spielt ein Grammofon Südseeweisen.“ Das Personal dieses gespenstischen Orts: Der kleinkriminelle Kellner Max, welcher die kaum vorhandenen Gäste vorzugsweise barfuss bedient, sowie der windige Chauffeur Karl, der schon mindestens einen Menschen totgeschlagen hat. Der Direktor des Hotels, Strasser, ein abgesetzter Offizier und abgehalfterter Leinwandstar, ist längst nicht mehr liquide. Dementsprechend abhängig ist er von dem einzigen zahlenden Dauergast, der Baronin Ada Freifrau von Stetten, „ein aufgebügeltes, verdorrtes weibliches Wesen mit Torschlusspanik“, das seine Macht als zahlungskräftige Frau geradezu diktatorisch für ihre sexuellen und emotionalen Bedürfnisse zu nutzen weiss. Bis eine junge, hellsichtige Gestalt namens Christine auftaucht und das finstere Idyll stört.
„Wer ins Theater geht, um schöne Menschen in prächtigen Kostümen zu sehen, macht besser einen Umweg um dieses Hotel „Zur schönen Aussicht“. Die Hausherrin und Regisseurin Barbara Frey inszeniert ihr Ensemble als ein ziemliches Gruselkabinett. Mit blutunterlaufenen Augen und schmutzigen Füssen schlurfen sie durchs Haus. Zeigen die schwelende Aggressivität mit einem immer gleichen, fiesen Türknallen und spucken sich die Horváth’schen Textfetzen vor die Füsse. Präzis und rhythmisch inszeniert ist das und grossartig gespielt.“ SRF 1
„Schauspielhaus-Intendantin Barbara Frey interessiert sich für das, was an Horváths Figuren zeitlos ist, immerwährende Gültigkeit hat. Sie streicht alles Zeitkolorit, zum Beispiel wo Horváth auf die Inflation der zwanziger Jahre anspielt; sie hebt heraus, was auch heute noch genau so übel ist wie damals. Sie lässt Horváths Figuren ihre Sprache sprechen, beobachtet sie genau, und scheut nicht zurück vor dem, was sie auffindet: Verschlagenheit, Niedertracht, Kanaillen, Monster. Sehr präzis inszeniert Barbara Frey aber auch die sozialen Verwerfungen, die zu dem Gefälle zwischen Ideal und Lebenskampf führen: Eigentlich wäre ich anders, aber ich komme so selten dazu – es gibt kein Eigentlich, wo die Verhältnisse es nicht zulassen.“ SRF 2
„Barbara Frey betrachtet die „Schöne Aussicht“ als Stück über ein „zerfallendes Europa, zerfallende Männer und den radikalen Verlust von Vernunft, Mitgefühl und politischer Vision“. Als Zuschauer sieht man zunächst einmal: eine Boulevardkomödie mit grotesken Chargen, klappernden Türen und manchmal fast valentinesken Dialogen. Eine Nachkriegstragödie mit Gefühlsinvaliden und Seelenkrüppeln. Und einen Horrorfilm. Horváth begriff alle seine Komödien als Tragödien: „Sie werden nur komisch, weil sie unheimlich sind. Das Unheimliche muss da sein.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Wer nicht präzis hinhört, wird die Feinheiten der Inszenierung, den Musikeinsatz oder auch die diskreten Nebenhandlungen, schlicht verpassen. Barbara Frey nimmt sich den als Komödie camouflierten Text über eine kaputte Gesellschaft vor, liest ihn genau und setzt ihn um.“ seniorweb.ch
„Toll! An der Aussicht auf die Bühne kann man sich zwei Stunden lang satt sehen. Da hat Bettina Meyer das Interieur eines schäbig-abgetakelten Hotels hin gebaut. Links der ältliche Essbereich, rechts eine Art Salon, dazwischen die Conciergerie und darüber der Zugang zu den Zimmern.“ sda
„Eine Augenweide ist Bettina Meyers zweistöckiges Bühnenbild: Mit erlesener Detailfreude wird das abgeschabt-morbide Interieur des Hotels „Zur schönen Aussicht“ aufgeblättert. Der abgehalfterte Betriebsdirektor Strasser, gegeben von dem gewohnt stark aufspielenden Michael Maertens, sowie ein Kellner (überzeugend ungehobelt: Edmund Telgenkämper) und Chauffeur (mit Stechblick: Nicolas Rosat) beherbergen als einzigen Gast die angejahrte Ada Freifrau von Stetten, welche die Männerwelt für Liebesdienste bezahlt. Friederike Wagner mixt für die Rolle dieser zahlungskräftigen, aufgetakelten Dame mit Stromschlagfrisur aus Zimmer Nummer 11 einen Charakter-Cocktail aus Wahnsinn, Lebensgier und Melancholie. Einen speziellen Akzent setzt Markus Scheumanns speckig-widerlicher Spirituosenhändler. Adas verschuldeter Zwillingsbruder (konturenscharf: Hans Kremer) komplettiert dieses Menschenrudel, das alle Schleusen zur Niedertracht öffnet, wenn Carolin Conrads Christine wie eine Lichtgestalt in den Hotelkosmos eindringt.“ Vorarlberger Nachrichten
„Max, der Kellner, findet seine Schuhe nicht, sein Frack ist zu klein, seine Augen sind blutunterlaufen und die Ringe unter den Augen abenteuerlich. Dennoch hat Edmund Telgenkämpers Figur Grandezza, wenn auch allein in der Sprache. Nicolas Rosat simuliert neben diesem Max den Chauffeur Karl, dem man lieber nicht den Rücken zudrehen will, man traut ihm allerhand Unrechtmässiges zu. Der Herr über die beiden abgehalfterten und darin sehr grandiosen Trottel ist Hoteldirektor Strasser. Michael Maertens schaut einen Tick weniger gespensterhaft aus als die beiden, trägt einen scheusslich karierten Anzug, sollte sich mal ausschlafen, wird aber getrieben von ruheloser Verzweiflung. Denn das Einzige, was die Drei zu tun haben, ist auf Befehle der Baronin Ada Freifrau von Stetten zu warten, sonst ist niemand da, kein anderer Gast, kein Koch, kein Zimmermädchen. Ada allein finanziert den Betrieb, und ihre drei Untertanen folgen ihr aufs Wort, erfüllen alle, auch intime Wünsche. Friederike Wagner trägt Leoparden-Leggings, explodierende Haare und sagt den schönen Satz: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ Süddeutsche Zeitung
„Man lebt von der Vergangenheit, im Schiffbau genauso wie im Hotel. Müller in der Figur von Markus Scheumann – das schauspielerische Lot der Inszenierung – ist das Faktotum, das diesen Orts ausgebrütet worden scheint: Das beige Haltungskorsett, von Bettina Walter als Weste verstrickt, nötigt ihm zwar äussern Anstand ab. Doch innerlich ist er ein unhaltbarer Zustand. (…) Michael Maertens lungert mit derart hängenden Schultern durch die Gegend, dass sein Anblick ein Witz, aber längst keine Figur mehr ist. Überhaupt: Dieses Hotel ist auch ein Hotel der Geister, der untoten Toten aus der Vergangenheit. Weisse Gesichter, rote Augen, der suizidale Bruder der Baronin (Hans Kremer) scheint einer Strindbergschen „Gespenstersonate“ entlaufen, in der Menschen wie Geister in ihren erfundenen Geschichten gefangen sind. Auf den Punkt bringt das Chauffeur Max (Nicolas Rosat), wenn er Christine vorheult: „Es gibt ja nichts, was einem nicht zustossen könnte. Man kann sich auch selber erschlagen, und doch umhergehen.““ NZZ
„Edmund Telgenkämpers Max spielt den Möchtegernkarrieristen derart biegsam, dass dem Zuschauer schwindlig wird. Oder der Sektvertreter mit der Früher-war-alles-besser-Leier und der kranken Kriegsgeilheit, der von Grösse träumt und sich für Niedrigkeit hergibt – mit fiebrig roten Wangen und leeren Augen: Markus Scheumann.“ Tages-Anzeiger
„Barbara Frey inszeniert ein zeitloses und vor allem in der ersten Hälfte packendes Stück über eine zerfallende Sozietät, in der Lüge zum zentralen Kommunikationsmittel wird, Solidarität nur zweckgebunden im Einsatz steht, Geld der Anker jeder Handlung ist. Die Männerfiguren sind allesamt Charakterlumpen. Grossartig Michael Maertens als Hoteldirektor Strasser, der neben aller Härte vor Selbstmitleid trieft, oder Markus Scheumann, der aus dem anfänglich korrekt wirkenden Vertreter Müller den übergriffigen Macho herausholt und dem man die Gefühlskälte als Prägung aus dem ersten Weltkrieg sofort glaubt.“ seniorweb.ch
„In der Inszenierung von Barbara Frey im Schiffbau nuschelt Friederike Wagner als abgetakelte Baronin Ada den Aphorismus kopfschüttelnd auf die nackte Tischplatte des Holztischs. Der hat, wie sie, schon bessere Zeiten gesehen. Ganz grossartig kleingefahren ist das – und todtraurig. Darum muss Carolin Conrads starke Christine – die junge Frau, die der alten zuhört – dann auch lachen: Alles andere wäre noch grausamer.“ Der Landbote
„Vor allem Edmund Telgenkämper als Kellner überzeugt mit seiner Lust an zynischer Frustbewältigung. Grossartig ist Friederike Wagner, deren Baronin in aller egoistischen Triebhaftigkeit doch auch einen Restbestand an Mitgefühl für die betrogene Christine offenbart.“ Südkurier
„Illusionslos und klar sieht Horváth die Menschen, illusionslos und klar bringt sie Barbara Frey auf die Bühne. „Zur schönen Aussicht“ in ihrer Inszenierung ist eine schwarze Weltkomödie, die die Wiederentdeckung lohnt.“ SRF 2