„„Zündels Abgang“ verstehe ich als eine poetische Beschreibung eines Unwohlseins, die subtile Beobachtung eines Ausbruchs. Eine Spurensuche nach einem Menschen, der sich irgendwann verliert. Eine Spurensuche nach einem Selbst, die sich irgendwann auszulöschen beginnt.“ Zino Wey
Keiner weiss, wie es eigentlich zum Verschwinden von Zündel gekommen ist. Am allerwenigsten er selbst. Ab einem gewissen Punkt begann sich etwas zu verschieben und in andere Bahnen zu laufen. Obwohl sein Leben vorher gleichförmig und ereignislos verlaufen war, mit Magda seiner Frau, seinem Beruf als Lehrer, dem gemeinsamen Alltag. Vielleicht war es nur eine Beziehungskrise, in die sie hineingeraten sind? Und mit ein wenig Distanz würde man alles wieder ins Lot bringen. Zündel entschliesst sich zu einer Reise nach Italien. In den verwinkelten Gassen von Genua trifft er auf Matrosen, Gangster und leichte Frauen, dort lockt die Unterwelt mit ihren eigenen Gesetzen und er lässt sich treiben, betrügen und verführen, bis sein altes Leben in weite Ferne rückt und an eine Rückkehr kaum zu denken ist.
Das tragikomische Debüt des Schweizer Schriftstellers Markus Werner, dessen Roman „Am Hang“ zu einem der beliebtesten und erfolgreichsten Romane avancierte, ist die höchst amüsante und bitterernste Geschichte eines modernen Antihelden, der versucht, Klarheit in sein Leben zu bringen und stattdessen zunehmend in Verwicklungen gerät – bis er sich am Ende selbst abhandenkommt.
Der junge Schweizer Regisseur Zino Wey, dessen poetische und stimmungsvolle Inszenierung von Philipp Löhles „Kollaps“ letzte Spielzeit in der Kammer zu sehen war, arbeitet u.a. am Nationaltheater Mannheim, an den Münchner Kammerspielen und an der Kaserne Basel.
„Der Abend ist ein Geschenk: Der Autor Markus Werner, letzten Juli zu früh verstorben, hätte ihn, man wagt die Behauptung, gemocht. Weniger gemocht hätte er wohl Festlegungen wie diese, Zuschreibungen über seine Vorlieben. Denn er war ja der Widerständler unter den Schweizer Romanciers und lebte, man kann es mit den Worten eines seiner Protagonisten sagen, im „Gefühl endgültig besiegelter Unzugehörigkeit“. Diese Gefühlslage hat er dem unheldenhaften Titelhelden seines ersten Romans, „Zündels Abgang“ (1984), mitgegeben – Konrad Zündel leidet an seinem Lebensgefühl wie an einer allen Sinn zersetzenden Weltenbürde. In der kleinen Kammer des Schauspielhauses Zürich ist dieser Zündel, Zündler, Zünsler wiederauferstanden. Er lebt hier fort in Bild und Ton und in der schmalen, körperlosen Schattenfigur des Schauspielers Fritz Fenne. Auch er ist ein Geschenk und widmet dem Autor ein Andenken, denn die Inszenierung hält sich, genügsam, nur am Besten fest: an Markus Werners hochpoetischen Sätzen.
Die präzise, sparsame Bühnenfassung von Zino Wey und Gwendolyne Melchinger findet den akkuraten Ton, die tonlose Schärfe und die permafrostige Schauspielerführung, die der Autor für seine Hauptfiguren vorgesehen hat.“ NZZ
„Regisseur Zino Wey, geboren 1988 in Basel, hat grossen Respekt vor den literarischen Qualitäten des Wernerschen Buchs und erstellt mit Dramaturgin Gwendolyne Melchinger eine Theaterfassung, die den literarischen Text zwar kürzt, aber passagenweise wörtlich übernimmt. Die Sprache bleibt so in ihrer Eleganz bestehen, wirkt gesprochen auch lebendiger, sogar humorvoller als bei der stillen Lektüre.“ Nachtkritik.de
„Jetzt hat der junge Schweizer Regisseur Zino Wey Zündels tragikomisch-poetische Suada in der Kammer des Zürcher Schauspielhauses angemessen zart und leise auf die Bühne gebracht. Ein Tischchen, ein paar Stühle, ein Klappbett, ein grosser Zerrspiegel, der sich in ein Ferienfoto vom Mittelmeer verwandelt, ein paar verwehte Töne von Schlagern und Chansons: Mehr braucht es nicht, um Sehnsucht, Verzweiflung und den Abgang von Zündel anzudeuten. Vier Figuren teilen sich den – von Wey und Gwendolyne Melchinger gekürzten, aber ansonsten weitgehend intakten – Text Werners. Julia Kreusch ist Magda, die Frau, die ihn trotz allem noch liebt, die laszive Bardame und Nounou. Edmund Telgenkemper ist Viktor, Zündels Freund und Chronist, ein mit beiden Beinen und gebügelten Hosen im Leben stehender Vernunftmensch. Julian Lehr spielt alle anderen Rollen vom Betrüger bis zum Lehrer. Fritz Fenne als Zündel steht mit traurigem Schnauzer und müdem Blick im Zentrum des Wirbels. Am Anfang schreibt er noch mit Kreide das Motto von John Stuart Mill „Lieber ein unzufriedener Mensch als ein zufrieden gestelltes Schwein“ auf die Innenseite des Wandschranks. Am Ende stiert er, mit dem Rücken zum Publikum, nur noch stumm und leer vor sich hin und lässt die anderen seinen Part spielen.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Belletristik ist nicht fürs Sprechen geschrieben; zudem sind Dialoge rar gesät, weil sich vieles im Kopf des Protagonisten abspielt. Dass sich in Zürich die Langeweile dennoch nicht blicken lässt, ist Zino Weys präziser Regiearbeit und dem genauen, jedem Satz hinterherspürenden Spiel der vier Akteure geschuldet.“ St. Galler Tagblatt
„Fritz Fenne gibt Konrad Zündel auf der Bühne ein Gesicht; ein schmaler, ernster Mann, der im Verlauf des Abends immer weiter ins wunschlose Unglück rast, auf einer subtil karg ausgestatteten Bühne, die mal zum Zugabteil, dann wieder zur billigen Absteige wird. Man folgt ihm förmlich, den Lippen ablesend, in die Welt, die immer mehr zusammenbricht...“ Schaffhauser Nachrichten
„Fritz Fenne erspürt als Zündel jeden Satz genau, ist leidend von Anfang an, Ironie und Selbsthumor kommen ihm zusehends abhanden. Als er Freund Viktor besucht, will er sich anlehnen, doch den letzten Zentimeter überwindet er nicht mehr und erstarrt, verbogen, gekrümmt. Edmund Telgenkämper ist Viktor, aufrecht, aufrichtig, aufmerksam, mit beiden Beinen im Leben. Als der Freund verstummt, bleibt ihm die Rolle des Chronisten und des hilflosen Helfers. Julia Kreuschs Magda schlüpft in alle Frauenrollen, ist beweglich-erotisch als Reisebekanntschaft Nounou, lasziv als Bar-Sängerin, liebevoll-liebend als Gattin Magda. Julian Lehr, Student an der Zürcher Hochschule der Künste, gibt den Waffenverkäufer, den Sänger. Und vor allem fulminant den Zündel, als der nach seiner Reise vor der Klasse eine Hasstirade fährt, nach der er in die Psychiatrie eingewiesen werden muss. Am Ende verstummt Fenne, dreht den Zuschauern den Rücken zu. Jetzt übernehmen Lehr und Telgenkämper seine Rede, sein Sprechen, führen ihn in den Wahnsinn. Zündel ist abgegangen, nur seine Hülle sieht man noch im Zerrspiegel.“ Aargauer Zeitung
„Das konsequente „Weniger ist mehr“ beginnt schon bei der Ausstattung von Davy van Gerven. Er bestückt die winzige Bühne minimalistisch. Schwarze Wände öffnen sich zu Schrank und Waschbecken. Ein Zerrspiegel wandelt sich zur Leinwand mit Zimmeraussicht. Ein Mikrofon reicht zum Andeuten einer Bar-Atmosphäre, wenn Hits aus den Lautsprechern dudeln. Mit denen zieht Musiker Benjamin Brodbeck eine zusätzliche Bedeutungsebene aus Ironie ein, etwa wenn zur ersten Reise „Voyage, Voyage“ erklingt, das fröhlich zur Weltreise einlädt.“ Werdenberger & Obertoggenburger
„Ein dichter Theaterabend“ KulturTipp