Schiffbau/Box
Premiere am 15. September 2018
Ein junger Mann wandert durchs Gebirge. Der Nebel, die Kälte und Nässe greifen ihn an. Raum und Zeit beginnen sich aufzulösen zwischen Traum und Wachen. Eine grosse Angst besetzt ihn. Und doch – wenn dieser später zu einem verstorbenen Kind sagt: „Steh auf und wandle …“, so lässt nicht schlichter Wahn ihn glauben, dass es geschehen wird, sondern die Absolutheit seines Glaubens. Er glaubt, wie er zuvor geliebt hat. Die posthum erschienene und als Fragment erhaltene Erzählung „Lenz“ schreibt Georg Büchner ausgehend von einem Bericht des Sozialreformers und Pfarrers Johann Friedrich Oberlin, bei dem der schon damals bekannte Sturm-und-Drang-Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792) einige Zeit wohnte.
Der Schweizer Regisseur Werner Düggelin zeigt mit seiner Bearbeitung am Schauspielhaus, wo er 1956 erstmals inszenierte, seine mittlerweile 53. Regiearbeit. Zuletzt waren von ihm „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett und „Texte von Jacques Brel“ im Schiffbau zu sehen.
Fotos © Yves Binet
„Werner Düggelin, Jahrgang 1929, begegnet den Worten mit der Leidenschaft eines 1999 geborenen. Der «Dügg» entdeckte für die hiesigen Bühnen einst Camus, Beckett, Ionesco; jetzt entdeckt er Georg Büchner neu – als Dramatiker eines emotionalen und ästhetischen Absolutismus, der das Herz dieses auf seine Weise gleichfalls absolutistischen Regisseurs bewegt.“ Tages-Anzeiger
„Weniger geht nicht, und mehr wäre zu viel. Auf dem schmalen Grat zwischen szenischer Lesung und angedeutetem Theaterspiel wandeln oder schlafwandeln die drei Figuren durch Wald und Gewölk, durch tiefes Blau und leises Rot, durch innere Stürme und namenlose Angst.“ Republik
„Auf der ganz in Weiss gehaltenen und hell beleuchteten Bühne mit Podestaufbau, bestückt einzig mit Tisch, Bank, Sessel und Bett, nimmt der Erzähler André Jung eine dominante Rolle ein. Ruhig, aber intensiv und spannend bis zum Schluss, schildert er die biographische «Lenz»‐Erzählung des nachgeborenen Dichters Büchner, mal ablesend am Tisch, mal frei auf‐ und abgehend.“ seniorweb.ch
„Jirka Zetts Pfarrer, der Lenz zu Gott führen will, ist zartfühlend wie eine schöne Frage. Erstaunen liegt in ihr, wenn sie nicht gehört wird. Bluthardt jedoch findet kaum Atem, er stoppt jäh, erklimmt stimmliche Höhen, fällt in Tiefen, er sucht und findet das Ende des Satzes nicht, geschweige denn das richtige Wort. André Jung dann, er ist nur Stimme. Er fährt mit ihr wie mit einer Faust in den Himmel, dann wieder ist sie rein wie ein Bergbach, der in einem steinigen Bett die Konsonanten an Kiesel reibt.“ (…) Wenn Bluthardt, ein weicher Recke mit blondem Haar, von Oberlin schliesslich nach Strassburg geschickt, um sich zu kurieren - wenn er aufgibt und «vernünftig scheint wie alle anderen», geschieht Poesie: Der Regisseur Werner Düggelin stellt ihn auf eine Drehscheibe, lässt ihn um sich selber kreisen.“ NZZ
„Raimund Bauer baute den Schauspielern dafür einen klösterlichen Raum, in den man sofort einzöge: eine offene Podest-Architektur mit leeren Wänden, diskret grauen Böden, dunkelhölzernen Retromöbeln. Tisch, Bett, Sessel. Nichts darf die Aufmerksamkeit vom Text abziehen.“ Tages-Anzeiger
„Düggelins Abend für drei Stimmen bereichert durch Verzicht. Denn mit dem Regisseur beginnt in der Schweiz die Rechnung: Sein Theater steht sozusagen auf dem Nullmeridian. Es denkt Beckett weiter und führt Roger Blin im geistigen Gepäck; wenn einer wie Düggelin 88 Jahre alt werden darf, häuft sich, mit Glück, im Leben das an, was man rückblickend als ästhetische Wende wertet.“ NZZ
„‚Lenz‘ ist Düggelins 55. Regiearbeit für das Schauspielhaus Zürich und in ihrem ästhetischen Minimalismus radikaler denn je: konzentriert, anrührend, eindringlich“ Badische Zeitung
„Mut zur Leidenschaft: Werner Düggelin inszeniert am Züricher Schiffbau Georg Büchners „Lenz“ als minimalistisches poetisches Oratorium.“ FAZ
„Die knapp einstündige Aufführung besticht durch ihre Schlichtheit und Zurückhaltung.“ seniorweb.ch