Pfauen
Premiere am 16. September 2011
Unterstützt von der Gesellschaft der Freunde des Schauspielhauses
Ein Stück „über das Rudelgesetz und die Ausgestossenen“ nannte Marieluise Fleisser ihr 1926 uraufgeführtes Werk. Zwei jugendliche Aussenseiter – der hässliche Roelle und die schwangere Olga – sind dem „Fegefeuer“ und den Aggressionen ihrer Mitschüler ausgesetzt und finden dennoch nicht zusammen. Die provinzielle Enge bietet keinen Ausweg – und trotz der omnipräsenten Kirche scheint Gott unerreichbar fern. Mit „Fegefeuer in Ingolstadt“ hat Barbara Frey ihre zweite Saison als Künstlerische Direktorin eröffnet.
„Fleissers „Fegefeuer“ tauchte erst um 1970 wieder auf, erlebte eine kleine Renaissance und verschwand wieder. Man sah mehr oder weniger stilisierte, manierierte oder realistische Versuche, das sinnlich Elende und das verzweifelt Übersinnliche zusammenzubringen. Aber der titelgebende Ort hing immer wie ein Mahlstein über dem Stück: Das soll Ingolstadt sein? Zuletzt versuchten ihn jüngere Regisseure in Bochum und Bonn in Richtung Popwelt zu zerbröseln. Aber die Brösel lasteten immer noch: als Reststaub. Von 1924. Jetzt hat Barbara Frey, die Zürcher Intendantin, den Mahlstein völlig beiseitegeräumt. Sie nimmt dem Stück jeglichen Ort, es aber zugleich ganz wörtlich in einer witzig-genialen Verkehrung.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Das Stück inszeniert Frey auf einer grossartig kargen Bühne (Bettina Meyer) zu einem Alptraum von stiller Kraft. Die Schwestern Olga und Clementine (Lilith Stangenberg) buhlen um den gleichen Mann, doch dieser, der widerwärtige Roelle (grossartig: Jirka Zett) ist selbst ein Ausgestossener mit Wahnvorstellungen.“ SonntagsZeitung
„Und wieder hat Bettina Meyer ein grossartiges, kongeniales Bühnenbild geschaffen zu diesem Stück „über das Rudelgesetz und die Ausgestossenen“ in dem Marieluise Fleisser in den 20er Jahren den Nährboden des banalen Bösen in den Blick nahm, kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten: ein Schacht, ganz in Braun, eine verbunkerte Gasse mit Quergang und seitlichen Schlitzen, aus denen manchmal Fratzen herausgrinsen, und von oben betrachtet: ein Kreuz, das sich über die Bühne legt.“ Nachtkritik.de
„Atemberaubend, wie Lilith Stangenbergs Clementine ihre grosse Kränkung mit einer kleinen Geste in einen heimlichen, heftigen Hieb übersetzt. Diese Szene ist wie ein blutiger Knochen: Ungerührt werden in Marieluise Fleissers Dramendebüt „Fegefeuer in Ingolstadt“ Familienkörper bis aufs Gebein ausgenommen. Und das Messer in der Inszenierung, mit der die Schauspielhaus-Saison am Donnerstag eröffnete, führte die Intendantin, Barbara Frey.“ Tages-Anzeiger
„Olga, das junge Mädchen in der blonden Kurzhaarfrisur, dem Kostüm und der Physiognomie der jungen Marieluise Fleisser, ist in der Gestalt von Franziska Machens ein zarter Engel, der seine Schwangerschaft, seinen Abtreibungsversuch, die Annäherungsversuche des stinkenden Liebeserpressers Roelle, der schon auch mal den Kopf unter ihren Rock presst und ekstatisch das Kind in ihrem Mutterleib preist, das „Menschen aus uns macht, weil es ein Mensch wird“, von sich abtropfen lässt wie ein Schwan Schmutzwasserperlen von seinem Gefieder.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Packend sind Jirka Zett als Roelle und Franziska Machens als Olga. Gottfried Breitfuss spielt als Vater das ganze Elend des haltlosen, selbstmitleidigen Beherrschers. Lilith Stangenberg als Clementine, mehr noch Miriam Maertens als Hermine brechen aus der Seelennot ins Schrille. Ebenso komisch überzeichnet sind die schmierigen Beobachter Protasius und Gervasius (Frank Seppeler, Gabor Biedermann), gespenstisch das Vorbeiziehen der Masken. Die beklemmende Aufführung muss nicht erst darauf hinweisen: Was in den Kostümen von Bettina Walter in die 1960er-Jahre verweist, ist von heute.“ Neue Luzerner Zeitung
„Erpresst wird Olga von einem zweiten Borderliner: dem sexuell und religiös sichtlich überspannten Roelle. Jirka Zett druckst diesen Einzelgänger mit schiefen Schultern und verkniffenem Hinterteil virtuos auf die Bretter.“ Basler Zeitung