Pfauen
Zürcher Premiere am 4. Februar 2011
Kaum ein antiker Stoff hat zu so vielen Deutungen und Bearbeitungen Anlass gegeben wie der Medea-Mythos, der in der Version des Dichters Euripides 431 v. Chr. uraufgeführt wurde. Als ihr Mann sie zu verlassen und zu verstossen droht, übt die vermeintlich entzauberte Zauberin aus Kolchis Rache und tötet grausam die neue Gattin ihres Mannes sowie ihre eigenen Kinder. Barbara Freys gefeierte Berliner Inszenierung mit Nina Hoss in der Titelrolle wurde, mit Schauspielern des Zürcher Ensembles, in den Pfauen übernommen.
„Ach! Alles steckt in diesem ersten Wort des Abends: das Dunkle und das Desolate, das Raue und das Ratlose. Es klingt trostlos wie ein Totenglöcklein und schmeckt bitter wie die Galle. Iris Erdmanns Amme schlägt so den Grundton von Barbara Freys zweistündiger „Medea“-Inszenierung an, die am Freitag im Pfauen angelaufen ist. Sie packt das Monströse und das Melancholische ins Minimale – wie die Regisseurin, die dafür unseren maximalen Beifall verdient. Auf einmal weiss man wieder, was Theater kann – wenn der Text kann, die Regie kann, die Schauspieler können. Und die konnten am Freitag allesamt.“ Tages-Anzeiger
„Frey hat gerade ihre Berliner „Medea“ adaptiert und beschert damit grossartiges, unaufgeregtes und konzentriertes Theater.“ Wiener Zeitung
„Mit dem sicheren Gespür für dramatische Effekte weiss diese Regisseurin um die Wirkung der leisen Töne und der sparsamen Gesten.“ Die Welt
„Barbara Frey lässt in ihrer „Medea“-Inszenierung das Unheimliche beiläufig entstehen: im Unrecht, das der Frau zugemutet wird. Unheimlich ist die Staatsräson; in Medea spiegelt sie sich nur. Dies ist nun bis zur letzten Minute atemraubend und auf andere Weise unheimlich: eindringlich. Im Format, das Nina Hoss dieser Medea zu geben vermag – das Blondhaar ergraut, das kleine Schwarze trägt sie wie eine griechische Witwe. In der grossen Kränkung und traurigen Rache, vom ersten bitteren Ehe-Résumé bis zum ungebeugten, doch innerlich erloschenen „Niemals!“, das sie dem am Boden zerstörten Jason noch entgegenschleudert – über laute und beinah lautlose Zusammenbrüche, flackerndes Toben, aber auch Schmeicheln, sie brütet am Boden, lauert aus Katzenaugen, höhnt gefährlich leise, sie ringt mit dem Entsetzen, krümmt sich wie unter Peitschenhieben, wenn ihr der Anschlag gelungen ist, niedergeschlagen vom bitteren Erfolg: kein Triumph, nur grosse Verlorenheit.“ NZZ
„Eineinhalb Meter über dem Boden hängt dieses viel zu kleine Puppenhaus in einem kahlen und kalten Bühnenraum, und bis kurz vor Schluss des Stücks wird hier noch die heftigste Raserei verpuffen, denn es ist Raserei in Isolationshaft. Hier zieht Medea ihren Kopf ein, und hier geht sie vor dem König auf die Knie. „Ich weiss, wer der Stärkere ist“, sagt sie ihm, aber Nina Hoss macht das so eiskalt, dass es klingt wie: „Du weisst, dass der Schwächere der Gefährlichere ist.“ Die Szene eskaliert augenblicklich auf den Gefrierpunkt. So hart und konzentriert und atemlos ist diese ganze „Medea“. Und das gilt nicht nur für Nina Hoss in der Titelrolle, für die sie sich schon in Berlin zu Recht viele Lorbeeren geholt hat. Das ganze Ensemble spielt in dieser kühlen Präzision, selbst Michael Neuenschwander, dessen Jason in der Körpersprache wohl eine Spur zu pöbelhaft angelegt ist, der im Text aber einen gestochen scharfen Ton findet für die routinierte Gewohnheit, mit der er im Leben seiner Frau die Fäden zieht. Seine erste Begegnung mit Medea gehört zu den stärksten Szenen des Abends: Wie er sie aufs Bett setzt, wie er vernünftig auf sie einredet. Und wie sie reagiert: nicht zynisch, nicht wütend. Wie sie, viel schlimmer, brütet und schwärt.“ Nachtkritik.de
„Der opportunistische Jason, breitspuriger Karrierist (wie schon in Berlin: Michael Neuenschwander), der den Liebesverrat mit süffisantem Lächeln abtut: Was soll die Erregung, es geschieht doch nur, damit es die Kinder einmal besser haben? Da ist Liebe eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Kreon, Bürokrat im kalten Licht: Markus Scheumann (nebenbei auch der Kreon in Sebastian Nüblings „Ödipus“) gibt ihm die gehörige biedere Selbstgefälligkeit. Iris Erdmann als Amme, Ursula Doll als Korintherin mit undurchsichtigem Lächeln, Matthias Bundschuh, dem es als Bote die Stimme verschlägt: lauter kleine Meisterstücke.“ NZZ
„Die im Pfauen gezeigte „Medea“ hat maximalen Beifall verdient.“ Tages-Anzeiger