Schiffbau/Box
Premiere am 23. Januar 2010
Paul Claudels „Der Tausch“ ist ein Zusammentreffen zweier gegensätzlicher Paare: Der junge Louis Laine bricht aus seiner Ehe mit der gläubigen Französin Marthe aus und lässt sich von der Schauspielerin Lechy Elbernon erobern. Deren Mann wiederum, der Geschäftsmann Thomas Pollock, handelt die verlassene Marthe Louis mit einem Bündel Geldnoten ab und schlägt ihr einen Tausch vor: Sie soll Laine verlassen, „denn er ist keinen Cent wert“, und mit ihm, Thomas, zusammenleben... – „Der Tausch“ beschreibt die zunehmende Versachlichung und Kommerzialisierung aller menschlichen Beziehungen. „Alle diese Gestalten... das bin ich selbst“, sagte Paul Claudel (1868–1955) über die vier Figuren in seinem Stück, die unlösbar ineinander verkettet sind und in ihren extrem unterschiedlichen Lebensmodellen an einem einzigen Schicksalstag von fast antikem Ausmass aufeinandertreffen.
Das Stück entstand 1893/94 in New York und Boston, wo der junge Claudel als Vizekonsul tätig war. 1914 wurde es von Jacques Copeau in Paris uraufgeführt und in den folgenden Jahren viel gespielt. Die deutschsprachige Erstaufführung brachte Oskar Wälterlin 1920 in Basel heraus. Viele von Claudels Theaterstücken sind in mehreren Fassungen veröffentlicht – so auch „Der Tausch“. 1951 schrieb Claudel unter dem Einfluss von Jean-Louis Barrault eine zweite Fassung, die allerdings sprachlich und inhaltlich aufgeweicht erscheint und kaum gespielt wurde. Wie auch in der letzten Zürcher Aufführung von „Der Tausch“ (1993 in der Regie von Werner Düggelin) spielen wir die Urfassung. Sie ist erstmals in der Neuübersetzung von Herbert Meier zu sehen.
„Mit jedem Wort brennt Klara Manzel uns Marthes Verzweiflung ein, und mit einem gellenden Schrei schmettert sie uns auf den Boden unserer Herzen. Just in diesem Moment droht Christof Loys Inszenierung endgültig den Boden unter den Füssen zu verlieren: Wir sehen nur noch den Verlust der Werte, keine Hoffnung, kein Glaube an die Liebe, alle sind mit ihren Lebensentwürfen gescheitert. Darüber muss man als Zuschauer von Loys „Tausch“-Inszenierung hinwegkommen. Ansehen aber sollte man sie sich unbedingt, denn bei aller inhaltlichen Düsternis, die es zu verkraften gilt, besticht Loys Inszenierung durch ihre formale Perfektion und ein junges, vierköpfiges Ensemble in Höchstform, das mit jeder Geste, jedem Gang, jedem Blick weiss, was es sagen will.“ Tages-Anzeiger
„„Der Tausch“ ist eine Art „Wahlverwandtschaften“ im Zeitalter von Krise und Kredit, ein frivoles Tauschgeschäft zwischen dem allgemeinen Äquivalent Geld und unhintergehbarer Liebe, ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel im Zeichen des Kreuzes. Loys „Tausch“ hat die Schlichtheit einer antiken Tragödie und ist doch ganz von hier und heute, näher bei Botho Strauss als bei Claudel.“ Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Claudel hatte fast 60 Jahre nach der ersten Niederschrift, in den 50-er Jahren den „Tausch“ in einer neuen Fassung in einem familiären, poetisch abgemilderten Ton umgearbeitet. Doch gerade das Bestehen auf dem musikalischen, symbolistischen Charakter der Erstfassung in Loys Inszenierung und Maiers Übersetzung machen die Konflikte aktuell, zumal sie schauspielerisch sehr präzise dargestellt werden.“ Deutschlandradio Kultur