Pfauen/Kammer
Premiere am 22. Mai 2010
Thomas, ein Naturwissenschaftler und angehender Professor, und seine Frau Maria haben gleichermassen unerwarteten wie vertrauten Besuch. Marias Schwester Regine ist gekommen, in Begleitung von Anselm, dem gemeinsamen Freund aus Kinder- und Jugendtagen. Zusammen mit dem fünften im Bunde, Johannes, war man in diesem Haus erwachsen geworden, bis zur damaligen Klärung der Verhältnisse. Die Eltern starben, Thomas zog bei Maria ein, Regine heiratete Johannes, dieser beging Selbstmord, während wiederum Anselm „verschollen“ ging. Jetzt, rund acht Jahre später, die „Schwärmer“ sind alle um die dreissig, sortieren sich die Dinge abermals neu. Regine ist unglücklich mit Josef verheiratet, einem – älteren und vorgesetzten – Kollegenfreund von Thomas; der Heimkehrer Anselm, der sich zuerst bei Josef und Regine „eingeschlichen“ hat, entführte sie wie ein Liebhaber heimlich von dort zu Thomas und Maria. Auch das Fräulein Mertens, quasi Regines Zofe und Vertraute, ist mitgeflohen. Doch statt mit Regine ein gemeinsames Leben zu planen, hat Anselm es längst auf Maria abgesehen, die Frau seines Freundes und ewig überlegenen Rivalen Thomas…
Zur komplexen Vorgeschichte des Stücks gehört es ferner, dass Josef anfangs weder den Grund für Regines Abreise noch ihr Ziel gekannt hat. Erst Thomas hat ihn in einem anspielungsreichen, Anselm vorher bekannten Schreiben aufgeklärt. Dieses Schreiben sowie peinliche Fundstücke in Regines Zimmer scheinen nun bei Josef wütende Reaktionen hervorzurufen. Unterstützt von einem Detektiv, der das zweifelhafte Leben von Anselm unter die Lupe genommen hat, droht Josef in einem Gegen-Brief seinen Besuch an. Er fordert Thomas dazu auf, seine Gäste aus dem Haus zu weisen, Regine soll heimgeholt, Anselm vernichtet werden.
Soweit die äussere Exposition der „Schwärmer“. Jenseits des Handlungsgerüstes zeigt Musil freilich vier komplett miteinander verschlungene Seelen (oder fünf, wenn man den für Regine nach wie vor anwesenden Johannes dazu rechnet). Thomas, Maria, Regine und Anselm sind so tief miteinander verwurzelt, dass Loslösung, überhaupt Befreiung unmöglich erscheint. Anselms erregtes Bemühen, nach seinem Abenteuer mit Regine nun Maria für sich zu gewinnen und zur Flucht zu überreden, ist auch verzweifelter Protest gegen das Zusammengewachsene. Und selbst Thomas’ Nicht-Entscheidungen zeugen von der Abhängigkeit dieses scheinbar rationalen Privat-Herrschers. Hitzig und sprachsüchtig analysieren die Figuren ihre physischen und psychischen Beziehungen, intellektuell brillant und neurotisch getrieben, immer eingesponnen in den Kokons ihrer Jugend.
„Über die glatte weisse Fläche der Bühne, begrenzt von raumhohen Vorhängen (Bühne: Jochen Schmitt), gehen oder auch kriechen, turnen und rollen die Figuren, hängen mit ihren Sätzen, mit denen sie ihre sich wandelnden Gefühle und Beziehungen zu fassen versuchen und dabei gerade auch erst ihre Emotionen erfinden, wie Traumwandler im Stoff ihrer ins Märchenhaft-Phantastische auswachsenden Kostüme (Michael Sontag).“ NZZ
„Zart ist das Dekor von Jochen Schmitt, zart sind die Videobilder, die Klänge, die jugendstilig angehauchten Kostüme; zart schliesslich sind die poetisch gefassten Aphorismen und Meditationen. Nur die Körpersprache ist es nicht. „Man hat so viel mehr Kräfte als Worte in sich“, sagt Maria – aber in dieser Inszenierung liegt die Kraft eindeutig in den Worten“. Tages-Anzeiger