*** Uraufführung: 28. Juli 2022, Salzburger Festspiele ***
Arthur Schnitzler seziert in seinem Reigen, 1920 skandalträchtig in Berlin uraufgeführt und bis 1982 von ihm selbst mit einem Spielverbot belegt, die Masken einer Gesellschaft. Der Autor untersucht mit seiner literarischen Psychologie die Anatomie der Seele und genau das tut auch Yana Ross in ihrer Regiearbeit. Für ihre neuste Inszenierung treiben zehn international renommierte Autor*innen den Stoff ins Heute: Lydia Haider, Sofi Oksanen, Leïla Slimani, Sharon Dodua Otoo, Leif Randt, Mikhail Durnenkov, Hengameh Yaghoobifarah, Kata Wéber, Jonas Hassen Khemiri und Lukas Bärfuss haben je eine der zehn Szenen neu geschrieben.
In Schnitzlers Reigen treffen prototypische Figuren der Wiener Gesellschaft in einem Kaleidoskop der Liebesweisen aufeinander, das quer durch Klassen, Geschlechter und Alter diejenigen im Geheimen verbindet, die in der öffentlich legitimierten Ordnung einer Gesellschaft nicht zusammenfinden können. Yana Ross ist unserem Zeitgeist auf der Spur, den heutigen Tabus und täuschenden Maskierungen und bringt die zehn Überschreibungen in einer polyphonen Inszenierung zusammen.
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Pressestimmen
«Verortet in einem Feinschmeckerlokal – die Decke so verspiegelt, dass sich das Publikum als Voyeure gegenübersitzt (Bühne: Marton Argh) – tanzt ein hinreissendes Ensemble auf den Minenfeldern der Abhängigkeiten in ihren unterschiedlichen Anwendungsgebieten: der Liebe, Politik und Familie.» Tagblatt, 19.09.2022
«Wer Lena Schwarz dabei zusieht, wie sie sich mit einem (simulierten) Waffenarsenal, das für den Befreiungskrieg einer ganzen Nation taugte, Befriedigung verschafft, eine flirrende, flüssige Femme fatale, hat möglicherweise die Schauspielleistung des Jahres 2022 gesehen.» Tagblatt 19.09.2022
«Yana Ross’ Inszenierung enthüllt etwas, was man in dieser Klarheit lange nicht mehr zu Gesicht bekam: Wenig anderes hebelt die Spiele der Macht erfolgreicher aus als die Macht der Imagination.» Tagblatt, 19.09.2022
«Es ist ein Abend, der mit einem großen Ensemble besetzt ist und einer Bühne mit Plüschboden und gekippten Spiegel, in dem bei jedem Schritt das Zerrbild der Sozietät deutlich wird.» ORF, 29. Juli 2022
«Der Abend lebt von der Polyphonie der Stimmen. Da ist ein Kollektiv am Werk, im Sinne von Schnitzlers Kritik am Geniekult.» Frankfurter Allgemeine, 29. Juli 2022
«Momente wie diese von Leif Randt schillern an diesem Salzburger Abend, denn das grandiose Ensemble kann all seine Schauspielkunst aufbieten. Das Beziehungselend, der Abgrund, die Tapferkeit, die Traurigkeit, aber auch die Vertrautheit zweier Menschen, die sich so lange schon kennen, das bringen Matthias Neukirch und Yodit Tarikwa in nur wenigen Minuten gleichermaßen zum Ausdruck. Lohnend auch die von Hengameh Yaghoobifarah eingefangene Momentaufnahme einer Dichterin (Sibylle Canonica) und ihrer jungen Geliebten (Tabita Johannes), in der Begehren und Macht, Sex und Ausbeutung so lange auf Messers Schneide balancieren, bis die Frauen schließlich mit Besteck einander gegenseitig zu Leibe rücken.» Frankfurter Allgemeine, 29. Juli 2022
«Einige Bearbeitungen erweisen sich nämlich als weitaus politischer als Schnitzlers Paarkonstellationen - so wird aus der Affäre zwischen dem jungen Herren und der ehrbaren Ehefrau in der Interpretation von Bachmann-Preisträgerin Sharon Dodua Otoo ein ziemlich illusionsloser Schlagabtausch zweier Frauen.» Wiener Zeitung, 28. Juli 2022
«Der andere Moment ist die grandiose Szene des russischen Autors Mikhail Durnenkov, der seinen Textbeitrag eigentlich schon fertig hatte, aber nach Beginn des russischen Angriffskriegs komplett aus dem Fenster warf und neu schrieb. (...) aus einer spürbaren persönlichen Dringlichkeit heraus entstanden.» Süddeutsche Zeitung, 29. Juli 2022
«Was Einheit schafft, ist einerseits die schräge, phantasievolle Regie von Yana Ross mit ihrem formidablen Ensemble. Andererseits ist es der faszinierende Raum, erschaffen von Márton Ágh.» Nachtkritik, 29. Juli 2022