Krieg als historisches Phänomen ist schwer zu fassen: Unzählige Exzesse von Gewalt, Leid, Vertreibung und Chaos lassen sich kaum in Worte fassen. Eine lineare Erzählung des Krieges, eine Kriegsgeschichte, die Sinn und Ordnung in das Unfassbare bringt, ist völlig unmöglich. Denn die Perspektive des Erlebten ist vielfältig. Erzählungen über den Krieg sind immer geprägt von Lücken und Ungeklärtem, von der Subjektivität derer, die versuchen, der Gewalt so etwas wie einen sinnvollen Rahmen zu geben. Das gilt für die Opfer, die Täter*innen, die Beobachter*innen und die anderen Akteur*innen in einem Krieg. Das Unaussprechliche aussprechen: ist das möglich?
Das interdisziplinäre Panel mit der südsudanesischen Schriftstellerin und Aktivistin Stella Gaitano, der visuellen Künstlerin und Filmemacherin Jelena Jureša aus dem ehemaligen Jugoslawien und dem im Exil lebenden ukrainischen Theaterregisseur Stas Zhyrkov will die Strategien und Praktiken untersuchen, die Künstler*innen bei der Darstellung von Krieg anwenden, und dabei sowohl das Potenzial als auch die Herausforderungen beleuchten, mit denen sie konfrontiert sind: Wie werden Erzählungen über Krieg bestimmt, und was ist der kreative Prozess hinter ihrer Konstruktion? Welche Methoden werden eingesetzt, um extreme und unsagbare Gewalterfahrungen zu erzählen, und wo liegen die Grenzen der Ausdrucksfähigkeit? Und nicht zuletzt: Wie kann Kunst einen Beitrag zum Frieden leisten?
Stella Gaitano fokussiert ihr Werk in der Nachwirkung von Krieg und legt die politischen und ideologischen Gründe für das Auslösen von Kriegen offen. Ihre Texte befassen sich mit der Notlage von Vertriebenen, Flüchtlingen und marginalisierten Frauen aus den Kriegsgebieten im Südsudan. Ihre Arbeiten wurden mit Preisen ausgezeichnet und in renommierten internationalen Medien veröffentlicht und rezensiert, darunter die New York Times, Banipal, BBC Arabic und Al Jazeera. Nach der Abspaltung des Sudan vom Südsudan wurde Gaitano staatenlos. Wegen ihrer politischen Haltung wurde sie von nationalistischen Kreisen angegriffen, die zu ihrer Ermordung aufriefen. Gaitano ist seit Juli 2022 Stipendiatin des PEN Writers in Exile Programms und lebt in Deutschland.
Die bildende Künstlerin und Filmemacherin Jelena Jureša, geboren in Novi Sad im ehemaligen Jugoslawien, beschäftigt sich in ihren multidisziplinären Arbeiten mit Fragen der kulturellen Identität, des Geschlechts, der Erinnerungspolitik und des Vergessens. Ihr Schwerpunkt liegt auf den Praktiken der Unterdrückung. Ihre Arbeiten wurden international ausgestellt, u.a. im Zentrum für audiovisuelle Künste in Brüssel, in der Halle für Kunst & Medien in Graz, im Museum für zeitgenössische Kunst in Belgrad, auf der Manifesta Biennale 2022 und letzten Sommer im Rahmen des Zürcher Theater Spektakels.
Der mehrfach preisgekrönter ukrainische Regisseur Stas Zhyrkov, der am Zürcher Schauspielhaus Antigone in Butscha inzeniert hat, schloss 2008 den Schauspiel- und Regiestudiengang an der Kyiver Nationalen Universität für Kultur und Kunst ab. Im Jahr 2008 gründete er zusammen mit Ksenia Romashenko das unabhängige Open View Theater. Im Jahr 2011 gewann er mit dem Stück Natasha’s Dream von Yaroslava Pulinovych den Kyiv Pectoral Theater Award in der Kategorie Bestes Regiedebüt. Im Jahr 2017 wurde ihm der Ehrentitel Verdienter Künstler der Ukraine verliehen und 2021 erhielt er den Viva! Awards - Durchbruch des Jahres in der Rubrik Kunst.
Weitereführende Links:
Forschungsprojekt: Ästhetisierung von Kriegsgewalt
Artists at Risk
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