«Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit. Wir erleben das Festjahr der Überrumpelung. Da keinerlei Kunst, Politik oder Bekenntnis diesem Dammbruch von Sinn und Zerstörung gewachsen scheinen, bleibt nur der hohe Witz, die singende Leere und die blutige Posse.»
Dies schreibt nicht etwa ein Zeitgenosse des Jahres 2024, sondern Hugo Ball in München 1914. Zusammen mit der Künstlergruppe Blauer Reiter arbeitet er an einer Theaterform, die die entfesselte Gegenwart abbilden, zerstören und neu formatieren soll. Die Idee materialisiert sich etwas später in Zürich, wo Balls Künstlerfreunde Tzara, Huelsenbeck und Janco 1916 die ersten Simultangedichte der Welt aufführen. Vom Krieg aus der Heimat vertrieben, rezitieren sie Texte in verschiedenen Sprachen, erzeugen Geräusche und zerdehnen die Wörter.
Dem Prinzip des Simultangedichts, eine der Hauptdisziplinen des Dada, widmet der Zürcher Regisseur, Musiker und Bühnenbildner Thom Luz nun eine Inszenierung des Dickichts, der Überlagerung und der produktiven Dissonanz. Ein Plädoyer für Vielstimmigkeit und Komplexität, eine Neuverhandlung von Sinn und Unsinn.