Es ist Abend. Eine Frau, allein in ihrem Apartment. Sie sieht uns nicht. Aber wir, wir schauen ihr bei jeder noch so kleinen Handbewegung zu. Abendessen, Fernsehen, Wohnungsputz, Kartenlegen: Rituale eines scheinbar belanglosen Alltags.
In Yana Ross’ viel gereister Inszenierung von Wunschkonzert schweigt die polnische Schauspielerin und neues Ensemblemitglied Danuta Stenka, die im oscarnominierten Kriegsdrama Das Massaker von Katyn international bekannt wurde, 80 Minuten lang. Eine offene, für das Publikum von allen Seiten einsehbare Bühne verstärkt ihre Präsenz. Sie lebt dort, so unmittelbar nah, dass die Zuschauer*innen die Magazine mitlesen können, die sie aufschlägt. Ihre Welt ist nach einem geometrischen Plan angelegt und völlig hermetisch – doch wer sie berühren wollte, müsste nur die Hand ausstrecken. Zusammen mit dem Publikum entsteht ein Raum der stillen, vibrierenden Konzentration, der mit einfachen Handlungen und Handreichungen gefüllt wird, die nach und nach komische und absurde Dimensionen annehmen. Wunschkonzert war ein Höhepunkt der Wiener Festwochen 2016 und ist seitdem erfolgreich auf zahlreichen internationalen Festivals gelaufen, bevor es nun zur Eröffnung des neuen Schauspielhauses nach Zürich kommt.
«Wer von Schauspielkunst redet, muss von Danuta Stenka reden. Einzige Darstellerin in «Wunschkonzert» von Franz Xaver Kroetz, inszeniert von der russisch-litauischen-amerikanischen Regisseurin Yana Ross. 80 Minuten verrichtet Stenka alltägliche Dinge: Einkäufe verräumen, Kleidung wechseln, essen, fernsehen. Und sagt kein einziges Wort. Ordnung und akkurateste Sauberkeit sind ihre Maximen, die nur von Songs aus dem Radio unterlaufen werden.» (NZZaS, 22.9.2019)
«Wenn die akkurate Mid-Ager-Vertreterin Job-Outfit und Arbeitsmappe abgelegt hat, in ihrer peinlich sauberen 1,5-Zimmer-Wohnung zwischen den Ikea-Möbeln herumtigert und ihre Abendrituale abspult, fühlt sich das an wie Gegenwartsweh. (…) Dazu flimmern über den Bildschirm Kim Kardashians Hochzeitsvorbereitungen in Paris; im Radio läuft ein herzerwärmendes Mundartprogamm. Bei Leonard Cohens «I’m Your Man» verliert die Frau kurz die Fassung. Auch das Familiensimulationsspiel am Computer, «Die Sims», tröstet nicht. Wir treten hautnah an dieses Alleinsein heran, laufen drumherum, lugen von allen Seiten in die Wohnung hinein. Wir sehen Stenka (Jahrgang 1961) über die Schulter oder mitten ins maskenhafte Gesicht: Yana Ross setzt das Stück tödliche Einsamkeit in eine so intime Situation, dass es einem schier die Luft abschnürt.» (Tages Anzeiger, 16.9.2019)
«Noch nie habe ich Einsamkeit auf so beklemmende Weise dargestellt gesehen - als minuziöse Abfolge von Gesten und Handlungen, in Echtzeit.» (Ilma Rakusa, 16.9.2019)